Monotone Koranrezitationen erschallen aus den offenen Fenstern eines Internetcafés in der Hauptgeschäftsstraße von Naama Bay. Hier, wo sonst buntes Treiben herrscht und die neusten Schlager geträllert werden, ertönen am Tag nach den Bombenanschlägen besinnliche Klänge. Nur wenige Touristen flanieren durch die Abendstunden, in denen die Sommerhitze an der Südspitze der Sinai-Halbinsel erst erträglich wird. Restaurants und Bars bleiben fast leer, nur wenige genießen in den Beduinencafés dennoch eine Wasserpfeife.

Vor den Geschäften sitzen die einheimischen Angestellten, Trauer und Ratlosigkeit in den Augen. Vergeblich warten sie auf Kunden und versuchen gar nicht erst, sie mit dem üblichen Schmäh von ihren Auslagen zu überzeugen. "In einigen Wochen werde ich hier den Laden dichtmachen und nach Kairo zurückgehen", sagt Yassin in seinem Juweliergeschäft. Er ist überzeugt, dass diese Attentate den Tourismus in Ägypten schwer treffen werden und er hat sogar Verständnis dafür, dass die Gäste in den Ferien ihren Frieden haben wollen.

"Das geht mir auch so. Ich habe in Deutschland einmal einen Großbrand erlebt und mir sofort ein teures Flugticket gekauft. Ich wollte einfach auf dem schnellsten Weg nach Hause", erzählt der Juwelier aufgewühlt; eben hat er erfahren, dass ein Bekannter unter den Toten ist.

Auf dem schnellsten Weg nach Hause wollten vor allem jene, die die fürchterlichen Explosionen aus der Nähe miterlebt haben. "Die Druckwelle hat uns fast aus dem Bett geworfen. Überall flogen Glassplitter umher. Nach diesem Horrorerlebnis, will ich einfach weg", sagt ein Schweizer, der im Schwesterhotel des zerstörten Ghazal Gardens gewohnt hatte. "Jedes Mal wenn ich die Augen schließe, läuft das Ganze wie ein Film in meinem Kopf wieder ab, der Lärm, der Geruch, die Schreie, die Sirenen", erzählt seine Frau. Beide sind sich einig, so schnell werden sie nicht wieder ins Nilland zurückkehren, obwohl es ihnen ausnehmend gut gefallen hat, sie voll des Lobes für die ägyptischen Hotelangestellten sind und sich Sorgen um deren Zukunft machen. Sie werde vorläufig die Schweiz überhaupt nicht mehr verlassen, fügt eine Verwandte des Paares hinzu.

Das Betonskelett des eingestürzten Ghazala Gardens haben ägyptische Gemeindearbeiter schnell mit großen grauen Zeltplanen verhängt. Der Ort des Grauens soll nicht länger Schauplatz für Neugierige sein. Die Seite mit den leuchtend farbigen Mustern, wie sie sonst für Fest- und Ramadanzelte benützt wird, haben sie nach innen gekehrt. Überhaupt geben sich die Ägypter Mühe, die Spuren der Anschläge so schnell wie möglich zu beseitigen.

"Viele der Besitzer dieser kleinen Geschäfte haben jetzt ihre Existenz verloren. Sie hatten etwas Geld, vielleicht 3000 bis 6000 Euro, und wollten sich damit in Sharm den Lebensunterhalt für ihre Familien verdienen", erklärt Yassin. "Das Geld ist nicht das Schlimmste. 6000 Euro Schaden oder mehr, das zählt nicht. Nur die Toten zählen, die Freunde, die wir verloren haben", findet dagegen der Besitzer des Supermarkts Sharm Express auf dem alten Markt, der sein Geschäft offen hält, obwohl es keine Fenster, Türen und Vitrinen mehr hat.

"Wir lassen uns nicht unterkriegen. Wir sind immer noch hier. Wir haben den Einbruch nach den Anschlägen von Luxor 1997 überlebt, wir werden auch dieses Unglück überleben", erklärt trotzig der Front-Manager des kleinen Hotels Diar in der Naama Bay. "Das wollen diese Terroristen, sie wollen dem Land und uns schaden, aber wir werden diese Pläne immer wieder durchkreuzen", betont er.

Auf die Frage, wer hinter den Anschlägen steht, antworten die Einheimischen zumeist mit Schulterzucken oder der ausweichenden Formel "nur Gott weiß es". Klar ist, dass es unter den Hintermännern solche gegeben haben muss, die sich in Sharm und seiner Umgebung gut ausgekannt haben. Und auch ein lokaler Aspekt wird erwähnt: Kürzlich seien die Sicherheitskräfte massiv gegen den grassierenden Drogenhandel vorgegangen. Vielleicht hätten sich deshalb verbitterte Händler als Helfer einspannen lassen, fragen sich Ortskundige. (DER STANDARD, Printausgabe, 25.7.2005)