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Zweiminütige Trauerminute bei der U-Bahn- Station Stockwell am Sonntag.

Foto: AP /Sang Ta
London - Die Menschenrechtsorganisation amnesty international (ai) hat eine lückenlose Aufklärung des Londoner Polizei-Einsatzes gefordert, bei dem am Freitag der Brasilianer Jean Charles de Menezes erschossen worden war. "Die Untersuchtung muss schnell, umfassend, unabhängig und unparteiisch erfolgen", forderte die Gruppe in einer am Dienstag in London veröffentlichten Erklärung.

Die Ermittlungen müssten jeden Zweifel ausräumen, ob die tödlichen Schüsse auf den Brasilianer im Rahmen der Polizeirichtlinien erlaubt gewesen seien oder nicht. Dabei sei wichtig herauszufinden, ob der Verdächtige vor den Schüssen ausreichend gewarnt worden sei und ob die Polizeischützen vor den Schüssen die zuständigen Vorgesetzten kontaktiert hatten.

Eltern fordern Überführung des Leichnams

Die Eltern des irrtümlich von der Londoner Polizei erschossenen Brasilianers Jean Charles de Menezes haben die sofortige Überführung des Leichnams ihres Sohnes gefordert. Sein 66-jähriger Vater Matosinho Otoni da Silva sagte einem lokalen brasilianischen Fernsehsender am Montag (Ortszeit), er könne den verantwortlichen Polizisten nicht verzeihen. Sie sollten dafür bestraft werden, "dass sie einem Unschuldigen das Leben genommen haben". Der Leichnam seines Sohnes solle so schnell wie möglich nach Brasilien übergeführt werden. Außerdem verlange er Erklärungen von den britischen Behörden.

Ein Cousin von Jean Charles de Menezes drohte am Montag Großbritannien mit einer Klage. Es gelte zu verhindern, dass die Polizei weiter ungestraft unschuldige Menschen erschießen könne, sagte er im BBC Fernsehen.

Falscher Mann erschossen

Bei der Fahndung nach den Attentätern von London hat die britische Polizei nach eigenem Eingeständnis den falschen Mann erschossen. Polizeichef Ian Blair entschuldigte sich am Sonntag bei der Familie des Opfers und bezeichnete den Zwischenfall als Tragödie.

Volle Verantwortung

Polizeichef Blair erklärte, seine Behörde übernehme die volle Verantwortung für den tragischen Zwischenfall. Der Londoner Bürgermeister Ken Livingstone machte die Urheber der Terroranschläge für den Tod des unschuldigen Brasilianers verantwortlich. Die Polizei habe getan, war ihr notwendig erschienen sei, um Menschenleben zu schützen. Die tödlichen Schüsse lösten in der Öffentlichkeit heftige Debatten aus, zumal die Polizei in Großbritannien nur in Ausnahmefällen bewaffnet ist.

Ex-Polizeichef verteidigt Vorgehen

Der frühere Londoner Polizeichef John Stevens verteidigte indes ein entschiedenes Vorgehen. "Es gibt nur einen sicheren Weg, einen Selbstmordattentäter zu stoppen, der davon überzeugt ist, seine Mission auszuüben - sein Gehirn sofort zu zerstören, vollständig", erklärte er. "Das heißt, ihn mit zerstörerischer Wucht in den Kopf zu schießen, ihn sofort zu töten."

Brasiliens Außenminister geschockt

Brasiliens Außenminister Amorim zeigte sich geschockt und perplex über die tödlichen Schüsse. Großbritanni en müsse die Vorgänge aufklären, zitierte der Fernsehsender Globo TV den Minister. Amorim reist an diesem Wochenende zu einer Konferenz über die UN-Reform nach London. Die Cousine des Opfers forderte Konsequenzen. "Es muss etwas getan werden", sagte sie. Was geschehen sei, sei nicht gerecht.

Schock und Bestürzung in der moslemischen Gemeinschaft

"Dies sorgt für Schock und Bestürzung in der moslemischen Gemeinschaft", sagte auch Inayat Bunglawala, Sprecher des Moslemischen Rates von Großbritannien. "Es gibt große Beklemmung." Zwar verstünden die 1,6 Millionen Moslems des Landes, dass die Polizei stark unter Druck stehe, die Täter der Anschläge zu finden. Allerdings sei äußerste Sorgfalt notwendig, um sicher zu stellen, "dass nicht unschuldige Menschen wegen Übereifers getötet werden". Reuters)