Graz/Wien - Beim bilateralen Wirtschaftstreffen am vergangenen Montag in Paris hatte die österreichische Delegation unter Wirtschaftsminister Martin Bartenstein politisch brisanten Stoff im Gepäck: Der Ausstieg des französischen Energieriesen Electricité de France (EdF) bei der Energie Steiermark (Estag) und der Einstieg der zu 51 Prozent im Bundesbesitz befindlichen Verbundgesellschaft.

Ersteres kommt nicht wirklich überraschend, denn der vor der Privatisierung über die Börse stehende Atomstromriese EdF hat in jüngerer Vergangenheit immer wieder signalisiert, seine 1998 um 5,6 Milliarden Schilling (406 Mio. Euro) erworbenen 25 Prozent verkaufen zu wollen. Aber zur Unzeit, denn ein Partnerwechsel bei der Estag vor der steirischen Landtagswahl am 2. Oktober ist politisch nicht opportun. Wie aus Unternehmenskreisen verlautet, soll die staatliche EdF vom seinerseits zu 51 Prozent im Bundesbesitz befindlichen Verbund ausgekauft werden. Darauf hätten sich Verbund-Mehrheitseigentümer Bartenstein und sein französischer Amtskollege Thierry Breton am Montag in Paris verständigt.

Nach der Wahl

Über die Bühne gehen soll der mit der steirischen Landeshauptfrau Waltraud Klasnic akkordierte Deal freilich erst nach der Landtagswahl, denn in der Grünen Mark geht die Angst um, die Estag würde mit einem Großaktionär Vebund zu einem "Umspannwerk" des Verbunds degradiert. Denn der Verbund hält an der Estag-Tochter Steweag-Steg bereits jetzt 34 Prozent. Übernehme er auch noch die im Syndikatsvertrag zugesicherten weit über die normalen Rechte eines 25-Prozent-Aktionärs hinausreichenden Rechte der EdF, hätten die Steirer nichts mehr zu reden, wird befürchtet.

Interessant für den Verbund, der ebenso wenig zu einer Stellungnahme bereit war wie das Wirtschaftsministerium, sind aber nicht allein die EdF-Anteile. Zur Disposition könnten demnächst auch weitere knapp 25 Prozent vom Land Steiermark stehen, wollen Grazer Regierungskreise wissen. Das Land hatte, bevor der Estag-Skandal alle Planungen durcheinander brachte, unter dem damaligen Wirtschaftslandesrat Herbert Paierl, bereits den Verkauf weitere Anteile ins Auge gefasst.

Da das Bundesland dringend Mittel zur Sanierung des Landesbudgets, in dem ein Milliardenloch klafft, benötigt, könnte die am Abstellgleis stehende Privatisierung jetzt wieder aktuell werden.

Gerüchte um Günter Dörflinger

Für zusätzliche Schärfe in der heißen Sache sorgt das Gerücht, der Ko-Chef der Estag-Tochter Gas-Wärme GmbH, Günter Dörflinger, könnte an die Estag-Spitze wechseln. Platz wäre vorhanden für ihn, denn derzeit regiert dort nur das Duo Karl-Franz Maier und Franz Kailbauer, weil EdF auf den ihr satzungsmäßig zustehenden dritten Sessel im Zuge der Neubesetzung verzichtet hat. Die "Variante Dörflinger" stammt aus dem Jahr 2003, als der ehemalige SPÖ-Landesrat gemeinsam mit seinem ehemaligen ÖVP-Regierungskollegen Gerhard Hirschmann - der heuer im Herbst gegen seine Partei mit einer eigenen Liste bei der Landtagswahl antritt - in die Estag einzog. Hirschmann gleich in die Vorstandsebene, Dörflinger eine Etage tiefer bei der Estag-Tochter Ferngas. Dörflinger sollte nachrücken.

Dörflinger will von einem Wechsel in die oberste Konzernetage nichts wissen: "Das ist ein Blödsinn, es gibt keinen Anlass, darüber nachzudenken. Ich sehe nichts in diese Richtung." Estag-Präsident Johannes Ditz ist präventiv dagegen: "Eine Repolitisierung wäre ein fürchterliches Signal, jetzt wo das Unternehmen wieder Fuß gefasst hat und auf einem guten Weg ist." (Walter Müller, Luise Ungerboeck, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 23./24.7.2005)