Rom - Nachdem die Abgeordnetenkammer am Mittwoch definitiv eine umstrittene Justizreform der italienischen Regierung verabschiedet hat, revoltieren die italienischen Richter. Der einflussreiche Richterverband ANM reagierte auf die Billigung der Justizreform mit der Ankündigung eines neuen Streiks gegen die Regierung. Die italienischen Richter hatten bereits vergangene Woche zum vierten Mal innerhalb von drei Jahren gegen die umstrittene Justizreform der Regierung von Silvio Berlusconi die Arbeit niedergelegt.

"Rache Berlusconis"

"Diese Reform schränkt die Autonomie des Richterstandes ein. Sie ist für die Unabhängigkeit das Justizsystem eine sehr konkrete Gefahr", sagte der ANM-Präsident, Ciro Riviezzo. Die Justizreform sei eine Rache Berlusconis gegen die Mailänder Staatsanwaltschaft, die seit Jahren gegen ihn wegen Korruption ermittelt.

Kurz vor der Verabschiedung der Justizreform hatte Berlusconi erneut die Richter scharf angegriffen und ihnen politische Verbindungen mit der oppositionellen Mitte-Links-Allianz vorgeworfen. "Diese Reform ist zwar nicht das, was wir am Anfang durchsetzen wollten, sie wird aber frischen Wind in das veraltete Justizsystem einbringen", versicherte Berlusconi.

Monatelange Debatte

Die Justizreform, über die seit Beginn der Legislaturperiode 2001 gestritten wird, war bereits im vergangenen Jahr vom Parlament gebilligt worden. Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi hatte sich im vergangenen Dezember jedoch geweigert, sie zu ratifizieren. Mehrere Teile seien verfassungswidrig, sagte Ciampi, der eine weitere Debatte über die Reform gefordert hatte.

Laut der ANM zielen die Reformpläne der Regierung Berlusconi eindeutig darauf hin, die Rechtsprechung unter den Einfluss der jeweiligen politischen Mehrheit zu stellen. Die Unabhängigkeit der Richter werde deutlich beschnitten, da die Justizreform eine deutliche Kontrolle der Staatsanwälte durch die parlamentarische Mehrheit vorsehe.

"Strategischen" Umbau

Kernpunkt von Berlusconis Justizreform ist die strikte Trennung der Berufskarrieren von Staatsanwälten und Untersuchungsrichtern auf der einen Seite und Richtern auf der anderen. Außerdem sieht die Reform einen "strategischen" Umbau des Justizsystems vor. So sollen künftig im Selbstverwaltungsorgan der Richter und Staatsanwälte (CSM) neue Wahlverfahren gelten. Verboten wird Richtern nicht nur jegliche Mitgliedschaft in einer politischen Partei - was bereits von der Verfassung untersagt wird -, sondern auch die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft sowie in "Bewegungen, Vereinen und Verbänden, die politische Ziele oder Aktivitäten dieser Natur" verfolgen.

Der Trick mit der Vertrauensfrage

Die Regierung Berlusconi hatte am Mittwoch die Vertrauensfrage gestellt, um die Flut von Abänderungsanträgen zu umschiffen, die die Opposition gegen die strittige Reform eingereicht hatte. "Die Regierungskoalition, die oft als gespalten und zerstritten dargestellt wird, hat ihren großen Zusammenhalt bewiesen", kommentierte Justizminister Roberto Castelli, Verfasser der Justizreform.

Die Vertrauensdebatte spielte sich in einem äußerst angespannten Klima ab. Die Opposition, die in den vergangenen Wochen mit massiver Obstruktion die Verabschiedung der Justizreform zu verhindern suchte, beschuldigte Berlusconi, mit der Vertrauensabstimmung jegliche demokratische Debatte auszuschalten. "Das Vertrauensvotum ist eine italienische Farce und ein Schwächezeugnis der Regierungskoalition. Zum Glück naht der Tag, an dem die Regierung Berlusconi nicht mehr das Land regieren wird", kommentierte der Oppositionssenator Antonio Di Pietro. (APA)