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Ulrike Felt
Vorständin des Instituts für Wissenschafts- Forschung der Universität Wien und Herausgeberin der Zeitschrift "Science, Technology and Human Values"

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derStandard.at: Derzeit erlebt die Naturwissenschaft und insbesondere die Evolutionstheorie zum Teil massive Angriffe seitens einzelner Kirchenvertreter. Entwickelt sich daraus ein fundamentaler Disput oder ist dies ein Strohfeuer?

 

Ulrike Felt: Nun, das was hier passiert, ist wohl beides gleichzeitig. Es ist zum einen der Versuch einer Ausweitung bzw. Wiederherstellung des Einflusses der Kirche auf die Schaffung von Modellen der Welterklärung. Es geht darum, Religion - und in Österreich geht es hier zentral um den Katholizismus - einen bedeutenderen Stellenwert zu geben, als sie ihn derzeit hat.

Ich lese es bis zu einem gewissen Grad als ein Ringen um Autorität, welches sich auch aus Signalen wie wachsenden Kirchenaustritten und Unzufriedenheit mit dem Umgang der katholischen Kirche mit zahlreichen gesellschaftpolitisch sehr heiklen Themen ablesen lässt. In diesem Sinne verstehe ich es als eine Stellvertreterdiskussion.

Zum Anderen würde ich es aber - bei der in Österreich weitgehend nicht gepflegten Kultur der Auseinandersetzung - nicht wirklich mehr als ein Strohfeuer sehen. Natürlich wurde von Seiten der Wissenschaft (wie etwa durch den FWF-Präsidenten) darauf reagiert, natürlich haben sich Kollegen und Kolleginnen zu Wort gemeldet, aber gleichzeitig wird es von vielen auch kaum ernst genommen.

derStandard.at: Wird diese Diskussion auch im Wissenschaftsbetrieb im Kollegenkreis geführt oder überhaupt ernst genommen?

Ulrike Felt: In meinem eigenen Umfeld, der Wissenschaftsforschung, wird es eher am Rande diskutiert. Viel interessanter als die inhaltliche Ebene finde ich die Tatsachen, dass es sich um einen US-amerikanischen Import einer Diskussion handelt, die dort schon seit Jahren läuft.

Wenn ich dies im Kontext der politischen Entwicklungen in den USA betrachte, welche Bedeutung angeblich "moralische Werte" darin einnehmen und welch massive Auswirkungen dies auf das geopolitische Gleichgewicht hat, dann sehe ich das Problem eher dort. Die Evolution/Kreationismus-Diskussion ist dann nur ein winziger Schauplatz, an dem es eigentlich vielmehr darum geht, wer unter welchen Vorwänden was tun darf und sich dadurch öffentlich legitimiert.

Deswegen finde ich es wichtig darauf zu reagieren, aber dieser Diskussion auch nicht mehr Raum und Öffentlichkeit zu geben als sie - auch auf Grund ihrer Qualität - verdient.

derStandard.at: Kardinal Schönborn sieht "überwältigende Evidenz" für das Wirken eines gerichteten Designs in der Natur. Hat er sich da nicht verschaut?

Ulrike Felt: Schön für ihn. Ich finde nur das von ihm vorgebrachte zentrale Argument - und ich habe die Diskussion nur über das Internet und Tagszeitungen verfolgt - eigentlich höchst bedenklich. Es ist ein "Holzhammer-Argument".

Nämlich zu behaupten: "Jedes Denksystem, das die überwältigende Evidenz für einen Plan in der Biologie leugnet oder wegzuerklären versucht, ist Ideologie, nicht Wissenschaft." bedeutet ja dann eigentlich das Abschneiden jeglicher Diskussion. Jeder, der nicht so denkt wie "wir", irrt sich. Geht es noch ein wenig einfacher gestrickt?

Und hier tut sich ein fundamentaler Unterschied zwischen Wissenschaft und Religion auf, den es nicht außer Acht zu lassen gilt: Jede wissenschaftliche Behauptung/Theorie kann immer hinterfragt und vielleicht auch widerlegt werden. Hierzu gibt es aber bestimmte Regeln, die nicht darin bestehen, dass man einfach sagt: So ist es nicht!

derStandard.at: Haben Sie einen Erklärungsansatz dafür, dass Schönborn seine Behauptungen gerade zu diesem Zeitpunkt aufstellt? Hat sich diese Debatte für Sie angebahnt, oder entstand sie aus dem Nichts?

Ulrike Felt: Eine Erklärungsmöglichkeit liegt in der Situation der katholischen Kirche in Österreich. Sie befindet sich seit Jahren in einer Abwärtsbewegung, hat sich auch durch die Skandale der letzten Jahre nicht wirklich zum Nachdenken bewegen lassen. Weiters könnte man Erklärungen in einem globaleren Zusammenhang suchen und dann durchaus der Hypothese nachgehen, inwieweit hier nicht der Versuch besteht, in klarer Weise in Grundfreiheiten der Wissenschaft einzugreifen.

Natürlich wird die Aussage Schönborns oder ähnlicher Mitstreiter die Biologie weder heute oder morgen verändern. Doch bleibt zu bedenken, was passiert, wenn sich diese Diskurse etwa im US-amerikanischen Raum halten oder sich ausbreiten und dadurch ganze Generationen von jungen NachwuchswissenschaftlerInnen in dieser Denktradition aufwachsen. Drittens könnte man der Hypothese einer Fundamentalisierung auf religiöser Ebene nachgehen und dann auch nach solchen (bisweilen sehr deutlichen) Spuren im österreichischen Kontext suchen.

derStandard.at: Ist ein Rückschritt überhaupt vorstellbar oder ist die Macht der Kirchen und Religionen endgültig Vergangenheit?

Ulrike Felt: Natürlich sind Rückschritte möglich, wenn man nicht kritisches Denken als eine Qualität aufrechterhält und pflegt. Vor allem wenn es um wissenschaftliche Auseinandersetzung geht und bestimmte wissenschaftliche Theorien/Modelle als Gegenpol zu religiösen Werten positioniert werden.

Selbst aus einer katholischen elterlichen Erziehung und Schulbildung kommend, trete ich daher vehement für eine Trennung von Staat und Kirche ein, was vor allem in Schulen explizit umgesetzt werden sollte. Jeder sollte die Freiheit haben seine Religion ausüben zu können, dies sollte aber gleichzeitig nicht mit staatlichen Aufgaben interferieren.

derStandard.at: Muss die Wissenschaft in ihrer Offenheit für alle Erklärungsmodelle nicht auch das Wirken einer überirdischen Macht als Möglichkeit in Betracht ziehen – und das auch formulieren?

Ulrike Felt: Wenn man in die Geschichte der Wissenschaft sieht, dann kann man erkennen, dass diese einen langen Entwicklungsprozess zurückgelegt hat. Die wichtigsten Schritte dabei waren gerade mit der Loslösung von der Kirche verbunden. Erst dadurch konnte sie neue Erkenntnisse formulieren. Es ist meiner Meinung nach nicht Aufgabe der Wissenschaft sich über das "mögliche Wirken einer überirdischen Macht" Gedanken zu machen, sondern sie versucht im Rahmen der ihr zur Verfügung stehenden Methoden, durch Experimente und auf Basis von Vorkenntnissen mögliche Erklärungen für bestimmte Phänomene zu liefern. Diese werden dann zur Diskussion gestellt, weiterentwickelt. Und dies ist nie eine endgültige Position ... Und darin besteht ihre Stärke.