BegriffstransferDie Diskussion, die der Kommentar von Kardinal Schönborn in der New York Times bzw. in der International Herald Tribune ausgelöst hat, zeigt vor allem zwei Momente auf, die einer sachlichen Diskussion zwischen Theologie und Naturwissenschaften nicht zuträglich sind.

Zum einen geschieht auf beiden Seiten "Begriffstransfer". Die Aussagen Kardinal Schönborns werden missverständlich, wenn er im Kommentar auf einen in der amerikanischen Diskussion wichtigen Begriff anspielt, der quasi ein Markenzeichen der Kreationisten ist, nämlich auf "intelligent design". Anders, als ihm das der Soziologe Christian Fleck in seinem Gastkommentar (STANDARD, 11. 7.) unterstellt, redet der Kardinal freilich nur von "design". In der gängigen europäischen theologischen Diskussion begnügt man sich hingegen mit dem unproblematischeren Finalitätsbegriff. Zum anderen vergessen diejenigen Naturwissenschafterinnen und Naturwissenschafter wie Renée Schroeder in ihrer Polemik, dass die modernen Naturwissenschaften Finalität methodisch ausschließen (obwohl diese heute mit dem Begriff des "anthropischen Prinzips" dort wieder leise anklopft).

Dann selbst im Namen der Evolutionstheorie von der Schöpfung Gottes durch den Menschen zu reden (so in der APA) zeugt von wissenschaftstheoretischem Reduktionismus, der unreflektiert quasi-wissenschaftliche Weltanschauung transportiert.

Univ.-Prof. DDr. Reinhold Esterbauer, Institut für Philosophie an der Kath.-Theologischen Fakultät der Uni Graz

Zwei Einäugige

Frau Renée Schröder könnte ruhig auch "einfach ein bisschen Glauben lernen". Denn selbst Wissen ist nur ein Glaube an etwas, das sich man/frau als gültiges Wissen zurechtgezimmert haben.

Wenn die einen daher an Darwin und seine "zufallsgetriebene Mutation und Selektion" als evolutionäre Kräfte glauben wollen, dann dürfen andere ebenso an eine zielgerichtete Genese "vergeistigter Lebensformen" glauben.

Wenn Gläubige damit einen Gott imaginieren, sei ihnen das ebenso unbenommen wie der Wissenschaft ihr Glaube an eine aus chemischen, biologischen, physikalischen und genetischen Gesetzmäßigkeiten (wie auch immer diese im Detail lauten) abgeleitete Evolutionskraft.

Letztendlich scheitern beide in der Behandlung der menschlichen Sinnfrage: Die einen, indem sie diese schlichtweg ignorieren, und die anderen, indem sie lediglich gebetsmühlenartig mehr oder wenige sinnige Glaubensrezepte von sich geben.

Um alles sehen und verstehen zu können, wird man Körper, Geist und Seele zusammenführen müssen.

Bildlich gesprochen streiten hier Einäugige darum, sich gegenseitig das jeweilige Auge aushacken zu dürfen. Anstelle sich zu bemühen, beidäugig sehen zu können, werden sie sich dadurch einfach gegenseitig beweisen, dass man ohne Auge blind ist.

Manfred Magyar via Internet

Schroeders Ansichten kann ich voll zustimmen, die wissenschaftsfeindlichen Aussagen von Kardinal Schönborn sind wirklich entbehrlich. Religionen und ihre Glaubensinhalte können allerdings immer von wissenschaftlichem Interesse sein - eben als Beispiele für die Schöpferkraft und den Einfallsreichtum des menschlichen Geistes.

Herbert J. Wimmer via Internet

Der jakobinische Eifer, mit dem Schönborn wegen seines Glaubens an einen Sinn in der Schöpfung angegriffen wird, lässt auf eine höchst irrationale Wissenschaftsgläubigkeit schließen.

Mag. Johannes Dressel via Internet

Wo ist das Problem?

Der springende Punkt bei der Argumentation der Schönborn-Verteidiger ist die Terminologie. Wenn der Priester Gregor Jansen (STANDARD, 13. 7.) vom "Dogma der Evolutionstheorie" schreibt, ist das (bewusst?) irreführend. Das griechische Wort Dogma bedeutet Glaube und wird deshalb für einen von der Kirche vorgeschriebenen Glaubensinhalt verwendet. Ein christliches Dogma ist etwas, das ein bekennender Christ glauben muss, weil man es eben nicht beweisen kann.

Für die Theologie ist das eine legitime Vorgangsweise, in der Naturwissenschaft gelten andere Kategorien. Oder würde Jansen auch vom "Dogma der Gravitation" sprechen?

Zweifellos ist es jedem Menschen unbenommen, daran zu glauben(!), dass Evolution (und Gravitation) auf einen göttlichen Plan zurückgehen. Ebenso steht es jedem frei, dieses Dogma(!) abzulehnen. Diese Frage hat dann allerdings mit Naturwissenschaft nichts mehr zu tun. Wo ist demnach eigentlich das Problem?

Mag. Christian Goldstern AHS-Lehrer, 1160 Wien

(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 18. 7. 2005)