Die ÖVP ist es gewohnt, bis an die Grenzen des guten Geschmacks auszuteilen. Einstecken scheint momentan aber nicht so ihres zu sein. Sie agiert für eine selbstbewusste Kanzlerpartei sogar ungewöhnlich dünnhäutig. Da werden den Grünen "Stasi-Methoden", ein Verhalten "nahe bei Watergate" vorgeworfen, weil sie jenen schwarzen "Wahlkampf-Knigge" publik machten, mit dem die steirischen Spinmeister der Volkspartei ihren Zöglingen das Gerüchtestreuen und Kampfposten lehren wollten. Dabei war es die ÖVP, die unter der Ägide eines cleveren wie beinharten Generalsekretärs die politische Kampagnenführung perfektioniert hat - inklusive all jener aus US-Wahlkämpfen importierten Techniken, von denen sie sich heute so wortreich zu distanzieren versucht.

Die Grünen denken nun laut darüber nach, die steirische ÖVP zu klagen. Das folgt dem Trend, politische Konflikte nicht im Parlament, sondern vor Gericht auszutragen, ist in diesem Fall aber auch übertrieben. Denn das Verhalten von Klasnics Buberlpartie richtet sich dank eigener Ungeschicklichkeit noch am besten von selbst.

Bei aller Amerikanisierung: Was sich in der aufgeheizten Wahlkampfstimmung in Graz derzeit abspielt, lässt sich wohl kaum mit Watergate vergleichen. Wer es in der eigenen Selbstüberschätzung doch tut, wie der steirische ÖVP-Wahlkampfmanager, muss sich den Vorwurf gefallen lassen, dass er Opfer und Täter durcheinander bringt - oder nicht weiß, was Watergate ist. Nicht den Grünen, die das interne Benimmbrevier der Schwarzen mit Hilfe eines Informanten aufdeckten, sind unsaubere Methoden vorzuwerfen, sondern der ÖVP, die dieses Papier ausheckte. Wenn wir schon über Watergate reden, dann mit Sicherheit über kein grünes, sondern über ein tiefschwarzes. (DER STANDARD, Print, 18.7.2005)