Wien - Winnetou ist ein großer Unbekannter gegen ihn. Nur 89 Prozent der 1035 befragten Mädchen und Jungen - in Deutschland - war der edle Häuptling der Apachen ein Begriff. Harry Potter hingegen kannten sie alle. Ausnahmslos. 1035 von 1035. Seit heute haben sie alle Gelegenheit - sofern sie im Englischunterricht keinen Pisa-Schlaf hielten - herauszufinden, welcher der Gefährten des jungen Mister 100 Prozent in Band 6 - Harry Potter and the Half Blood Prince - sein Leben lassen wird. Wie Harry Potter sein sechstes Schuljahr auf Hogwarts durchlebt. Wer der Half-Blood-Prince sein mag.

Seit heute Nacht nämlich, exakt seit 0.01 Uhr am Samstagmorgen, ist HP 6 offiziell im Buchhandel erhältlich. In englischer Sprache, wohlgemerkt. Die deutsche Übersetzung folgt am 1. Oktober.

Allein für Samstag, den weltweiten Erstverkaufstag des Buches, prognostizieren Marktstudien 10 Millionen verkaufte Exemplare. Für die Startauflage von HP6 sollen über 17 Millionen Bände gedruckt worden sein: Fünf Millionen durch Bloomsbury, HPs britischen Verlag, 10,8 Millionen durch Scholastic für den US-Markt und weitere rund 1,5 Millionen Exemplare in Kanada.

Der Internet-Buchhändler Amazon.com, der just am heutigen 16. Juli den 10. Jahrestag seiner Gründung feiert, tut dies mit 1,4 Millionen Vorbestellungen für HP6, 120.000 davon allein aus Deutschland.

Dass der Buchhandel in England wenig von der Umsatzstärke des Zauberschülers profitieren wird, liegt an der Aufhebung der Buchpreisbindung in Großbritannien. Zwar "empfiehlt" Bloomsbury einen Verkaufspreis für das 672 Seiten starke Werk: 16.99 Pfund.

Nur die wenigsten Exemplare allerdings werden tatsächlich um diesen Betrag über den Ladentisch gehen: Allein die Supermarktkette Asda, deren 248 Filialen eigens um Mitternacht geöffnet hielten, wirbt mit Angeboten unter 9 Pfund - nicht der Erlös zählt bei HP, vielmehr der Werbeeffekt. Knapp 11 Pfund, genau 15,80 Euro, verrechnet Amazon seinen Kunden.

Zwar rechnet der deutschsprachige Buchhandel mit immerhin 600.000 verkauften Exemplaren der englischen Ausgabe, doch stellt der Verkauf eine reine Serviceleistung für den Kunden dar. Anders im Herbst, wenn Carlsens deutsche HP6-Ausgabe mit rund 3,5 Millionen verkauften Exemplaren dem Buchhandel rund 60 Millionen Umsatz bescheren dürfte. Gegen solche Magie der Zahl ist selbst der Papst machtlos - der die Gefahr HP früh erkannte: "Dies sind subtile Verführungen, die unmerklich und gerade dadurch tief wirken und das Christentum in der Seele zersetzen, ehe es überhaupt recht wachsen kann." (cia, DER STANDARD, Printausgabe vom 16./17.7.2005))