Wien - Der tschechische Premier Jiri Paroubek hat im Gespräch mit der APA seine Pläne für eine Versöhnungsgeste gegenüber ehemaligen deutschen Antifaschisten konkretisiert. Diese betreffe zirka 200 Menschen. Und es handle sich um eine moralische Anerkennung, sagte Paroubek am Donnerstagabend in Wien.

"Als die deutsche Wehrmacht die sudetendeutschen Gebiete im Oktober 1938 betrat, nahm sie etwa 20.000 deutsche Antifaschisten fest. Das waren Sozialdemokraten, Kommunisten, aber auch katholische Priester und Intellektuelle, Demokraten. Heute leben davon zirka 200, die im aktiven Widerstand zu Hitler standen. Daher kann die Geste nur eine moralische Anerkennung sein."

"Gewisse Schulden der Republik"

Es sei wichtig, eine Geste zu setzen, betont Paroubek. Denn es gebe in Tschechien das Bedürfnis, "gewisse Schulden der Republik zu begleichen". Die "Schulden" gegenüber den ehemaligen Bürgern deutscher Nationalität, die der Tschechoslowakei treu geblieben sind.

Paroubek will zwar grundsätzlich einen Konsens der politischen Parteien über diese Geste. Ein 100-prozentiger Konsens sei aber nicht unbedingt erforderlich. "Wir sind nicht irgendwo auf dem Boden des polnischen Sejm im 17. Jahrhundert, wo eine einzige Stimme alles kippen kann." Die Regierung sei dafür. Die zweitstärkste Oppositionspartei, die Kommunisten, ebenfalls. Nur die oppositionelle konservative Demokratische Bürgerpartei (ODS) stellt sich dagegen. Sie sei sich dadurch in "eine sonderbare Gesellschaft" geraten, sagt der Sozialdemokrat und meint die Sudetendeutsche Landsmannschaft. "Ich habe bisher nur von der Absicht gesprochen."

Kein Zusammenhang mit Arbeitnehmerfreizügigkeit

Dass er, Paroubek, die Geste beabsichtige, um im Gegenzug von Österreich oder Deutschland ein Entgegenkommen in der Frage der Arbeitnehmerfreizügigkeit zu erhalten, stimmt nicht, so Paroubek. "Ich will mit einer solchen Angelegenheit auf keinen Fall Handel betreiben. Die Tschechische Republik hat das nicht nötig."

Der österreichische Arbeitsmarkt war ein Thema, über das er mit Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V) gesprochen hat. Über Schüssels Aussagen, dass nämlich die siebenjährige Übergangsfrist für die Arbeitnehmer der neuen EU-Länder für Österreich notwendig und sinnvoll sei, ist Paroubek "natürlich nicht begeistert". "Österreich sagt, dass es eine hohe Arbeitslosigkeit hat", ergänzte er. Lachend, denn: "Diese ist im Vergleich zu anderen Staaten der EU natürlich nicht besonders hoch." Sie sei unterdurchschnittlich.

Pendler-Abkommen

Er, Paroubek, habe mit Schüssel auch über das kürzlich in Kraft getretene Pendler-Abkommen gesprochen. "Keine praktischen Schritte sind bisher erfolgt, damit das Abkommen schnell mit Leben erfüllt wird." Schüssel habe ihm aber versprochen, das dies geschehe.

Von der österreichischen EU-Präsidentschaft erwartet sich der tschechische Premier jedenfalls "politischen Realismus und Pragmatismus" - auch bei der Formulierung von Reformen in der EU. Tschechien würde Österreich in dieser Zeit - im ersten Halbjahr 2006 - "sehr unterstützen".

Nun, während der britischen EU-Präsidentschaft, gelte es offene Fragen - konkret das EU-Budget - schnell über die Bühne zu bringen. "Wir werden natürlich Reformen im Bereich des Budgets der europäischen Union unterstützen, sollte es zu ihnen kommen. Aber das, was für uns außerordentlich wichtig ist, ist, dass die Finanzperspektive der EU für die Jahre 2007 bis 2013 rasch angenommen wird." (APA)