Wien - Blöd gelaufen für Hannes Kartnig. Ist man Kulturjunkie (eine durchaus lobenswerte Tugend), muss man eben Kompromisse eingehen. Sturms Präsident zog am Mittwochabend einen Opernbesuch einem Fußballspiel vor, "Carmen" in St. Margarethen statt Rapid im St. Hanappi.

Er war zur Premiere in den burgenländischen Steinbruch geladen, was nicht heißen soll, dass er in Hütteldorf Eintritt bezahlen hätte müssen. Ob die Entscheidung weise war, muss Kartnig mit sich selbst ausmachen, vermutlich hat er ignoriert, dass die "Carmen" eh 40-mal gezeigt wird. Sturms 3:2-Sieg könnte hingegen etwas Einmaliges gewesen sein, im Nachhinein ist man immer gescheiter.

Aufwachen

Meister Rapid ist also in der ersten Runde gestrauchelt. Gescheitert an sich selbst, an der ureigenen Ideenlosigkeit (nur Sebastian Martinez hatte ein paar Geistesblitze anzubieten), an der Unfähigkeit, das Geschehen von der Mitte wenigstens ab und zu an die Seiten (rechts, links) zu verlagern. Wobei das nichts mit Sturheit oder gar Dummheit zu tun hatte, Kapitän Steffen Hofmann und seine Kollegen wären prinzipiell bereit gewesen, das zu ändern. "Wir haben es erkannt und in der Pause darauf hingewiesen, das ist das Einmaleins des Fußballs. Aber merken und umsetzen sind zweierlei. Wir müssen und werden nun aufwachen."

Da war eine putzmuntere wie präsidentenlose Mannschaft aus Graz zu Gast, die viermal aufs und davon dreimal ins Tor geschossen hat. Sturms Trainer Michael Petrovic meinte, "so etwas kommt vor, und ich habe im konkreten Fall nichts dagegen gehabt, dass es uns passiert ist." Wobei das 3:2 gewiss nicht nur Zufälligkeiten entsprungen ist, so war der beste Kicker auf dem Feld gewiss kein Rapidler, sondern der 20-jährige Jürgen Säumel (Tipp an Teamchef Hans Krankl: beobachten, beobachten, einberufen, einberufen). Der Mittelfeldspieler glaubt, "dass bei uns etwas im Entstehen ist". Säumel, der Bursche ist auch noch höflich, beruhigte Rapid. "Die müssen sich keine Sorgen machen, sie sind spielerisch für mich die Besten. Mit ausschlaggebend war, dass wir zweimal im UI-Cup gegen Wolfsburg dran waren, diese Wettkampfpraxis war ein riesiger Vorteil."

Sollte St. Hanappi je eine Festung gewesen sein, ist sie gefallen. In der abgelaufenen Saison gewann hier genau keine Mannschaft, Rapid natürlich ausgenommen. Trainer Josef Hickersberger lehnte es strikt ab, "an einer Heimniederlage etwas Positives zu finden. Dämpfer sind verzichtbar. Müsste ich krampfhaft etwas finden, dann ist es besser, gleich am Beginn umzufallen. Man hat länger Zeit, das zu korrigieren, aufzustehen."

Hickersberger umarmte Petrovic zweimal. Schnappte sich das Mikrofon, um Folgendes los zu werden: "GAK-Sportdirektor Hannes Weninger ist vor ein paar Stunden gestorben. Er durfte nur 47 Jahre alt werden. Das relativiert alles, speziell den Fußball mit seinen Ergebnissen." Hickersberger ersuchte die Medien, ihn am Donnerstag nicht anzurufen. Er musste sich einem chirurgischen Eingriff unterziehen. "Alles ist relativ." (DER STANDARD, Printausgabe, Freitag, 15. Juli 2005, Christian Hackl)