Auch als Buch: Die besten Stadtgeschichten aus dem Stadtgeschichten - Archiv - zum Wiederlesen & Weiterschenken. "Wiener Stadtgeschichten" mit Illustrationen von Andrea Satrapa-Binder, Echomedia Verlag Ges.m.b.H., ISBN 3-901761-29-2, 14,90 Euro.

Es war heute. Beim Heimfahren. Und der Tourist wusste nicht so recht, wie ihm gerade geschehen war. Vielleicht lag das aber auch daran, dass weder er noch der Polizist englisch sprachen. Im Gegensatz zu dem strengen Gesetzeshüter wusste das der Spanier. Aber als M. dann aus seiner Tasche einen Joint zauberte, beschloss er, die Sache wieder zu vergessen.

Der Polizist hatte dem Touristen nämlich das Wuzzeln einer Zigarette untersagt. Oder so ähnlich. Aber so genau hatten M. und ich den Anfang der ohnehin nur halben Amthandlung gar nicht mitbekommen: M. war auf den Stufen des Teiches vor der Karlskirche gesessen, hatte ein Mädchen neben sich und einen Drink auf den Knien.

Blubbersound

Beide – das Mädchen und M. – waren entspannt dagesessen, als ich vorbeiradelte. Und irgendwie war ich picken geblieben – obwohl die Musik, die aus dem Plastikkubus-Thekensoundsystem an diesem Abend blubberte, nicht so wirklich meins war. Aber ich hatte M. schon lange nicht gesehen.

Wir quatschten belanglos. Sommerlich leicht. Nebenan knipsten sich asiatische Touristen mit Moores Plastik und der Kirche gegenseitig. Ein fverliebtes Urlauberpaar – vermutlich Südamerikaner – hielt so intensiv Händchen, dass die Knöchel ihrer Hände schon ganz weiß waren. Außerdem schienen sie vor lauter Verliebtheit mitunter sogar das Atmen zu vergessen. Aber sie küssten sich kein einziges Mal.

Picknick

Auf der anderen Seite, Richtung TU, saßen die beiden anderen Touristen. Sie picknickten. Oder hatten gerade gepicknickt: Fein säuberlich gestapelt standen Coladosen und ein paar Wurstsemmel-, Obst- und Schokoladepapiere neben den Cityrucksäcken. Ein Flipflop hinderte das Papier am Wegfliegen.

Der Mann, rekonstruierten wir nachher, hatte auch kurz in seiner Jackentasche gekramt und irgendwas rausgeholt. Und dieses irgendwas dürfte dann den Polizisten auf den Plan gerufen haben. Jedenfalls stand der Mann im grauen Overall plötzlich da und gestikulierte heftig auf das Paar ein. Dann nahm er dem Touristen etwas aus der Hand und roch daran.

Wuzzler

Der Polizist drehte die halb gewuzzelte Zigarette misstrauisch von einer Seit zur anderen. Er hielt sie ein wenig über den Kopf gegen das dämmrig werdende Licht. So , als versuche er, durch das noch nicht zugeklebte Papier-U-Profil und den Tabak zu schauen. Dann griff er sich eine Prise Tabak aus der halbfertigen Zigarette und reib ihn ein wenig zwischen den Fingern. Das Touristenpaar sah ihm dabei ebenso sprachlos zu wie wir.

Aber die Zigarette – und damit auch die beiden Touristen – bestanden die Prüfung: Der Beamte reichte die Zigarette zurück. Dann griff er in seine Brusttasche, zog ein Packerl Zigaretten heraus, zeiget darauf und sagte sinngemäß, dass er darum bäte, in Zukunft an derart missverständlichen Orten nicht mit verdächtigen Handlungen die Behörden zu foppen. Dann deutete er ein kleines Salutieren an und verschwand wieder in Richtung der evangelischen Schule.

Spanisch

Die Frau des Touristen sah uns fragend an. Was das soeben gewesen sei, fragte sie in schlechtem deutsch. M. antwortete auf spanisch. Dann saßen wir zu fünft beieinander – das südamerikanische Flitterwochenpaar hatte die Einladung ihrer spanischen Sprachgeschwister höflich-schüchtern ausgeschlagen – und plauderten. Sommerlich belanglos.

Irgendwann zog M. dann einen Joint aus dem Etui, das er seit Jahren fast immer mit sich führt. Die Selberwuzzler lehnten dankend ab: Sie hätten noch nie gekifft. M. reichte den Joint dem Mädchen an seiner Seite, als der Spanier doch noch zugriff: Irgendwann, meinte er, sei immer das erste Mal – und wenn ihn der Polizist schon für einen Drogenkonsumenten gehalten habe, wäre ein lauer Sommerabend vor einer der barocken Kirche in Wien doch der richtige Ort, um es zumindest einmal auszuprobieren.