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derStandard.at: Die Regierungschefs Deutschlands, Frankreichs, Belgiens und zuletzt Bundeskanzler Schüssel – unter breiter Zustimmung aller Parteien – haben die Einführung einer Art Tobin-Steuer begrüßt. Kritiker meinen, das sei auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass international eine solche Steuer nicht konsensfähig sei, vor allem die USA eine solche Steuer ablehnen würde und damit in der Praxis keine Aussicht auf Realisierung bestehe. Wie sehen Sie das?

Norbert Hofer: Grundsätzlich wäre die Einführung einer Tobin-Steuer nur möglich, wenn das System global umgesetzt wird. Abgesehen davon, dass völlig ausgeschlossen ist, dass alle EU-Mitgliedsländer einer derartigen Maßnahme zustimmen, wäre auch ein Alleingang Europas fatal und würde uns schweren Schaden zufügen. Spekulanten würden dann eben außerhalb Europas ihre Geschäfte abwickeln.

derStandard.at: Tobin ging es ja bei seiner Idee der Tobin-Steuer um die Besteuerung kurzfristiger Spekulationen, um die Steuerung von Devisenströmen, während es zum Beispiel Globalisierungskritikern wie Attac darum ging, Einnahmen zu generieren, mit deren Hilfe Umweltprojekte in Entwicklungsländern gefördert werden sollten. Bundeskanzler Schüssel wiederum sieht die potenziellen Einnahmen als Mittel zur "konfliktfreieren" Planung des EU-Budgets. Was ist Ihre Vorstellung?

Hofer: Wenn man von einem Steuersatz von 0,25 Prozent ausgeht, dann könnten mit den Einnahmen aus einer europäischen Tobin-Steuer rund 20 Prozent des EU-Budgets abgedeckt werden. Das würde die Probleme, welche vor allem durch das europäische Agrarbudget verursacht werden, nicht lösen.

Das Generieren von Einnahmen für Umweltprojekte in Entwicklungsländern setzt falsche Prioritäten voraus, denn diese liegen derzeit bei den USA und den aufstrebenden Industrienationen wie China und Indien.

derStandard.at: Eine EU-Steuer würde laut VP-Staassekretär Finz nicht die nationalen Beiträge zur Union ersetzen. Wenn sie etabliert würde, könnten aber von den Einnahmen künftige europäische Projekte finanziert werden. Wofür wäre Ihrer Meinung nach das Geld einzusetzen?

Hofer: Ich bin gegen die Einührung einer EU-Steuer und für eine Renationalisierung der Agrarpolitik. Damit könnte das EU-Budget um die Hälfte reduziert werden. Agrarförderungen können weitaus effektiver von den Nationalstaaten selbst verteilt werden.

derStandard.at: Nun sei – so die Befürworter - nach dem Vorbild Frankreichs und Belgiens überparteilich für eine Tobin-Steuer auf EU- oder Euro-Ebene einzutreten. Ist das für Sie vorstellbar?

Hofer: Nein, die Einführung einer derartigen Steuer ist nur global möglich. Jede andere Vorgangsweise ist kontraproduktiv.

derStandard.at: Was wäre Ihrer Meinung nach eine denkbare Größenordnung für den Steuersatz?

Hofer: Tobin selbst hat bereits vor 33 Jahren einen Steuersatz von 1 Prozent vorgeschlagen, diesen Wert dann aber auf 0,1 bis 0,25 Prozent reduziert. Im Falle einer globalen Umsetzung dieses Modells - welche illusorisch ist - wären diese 0,25 Prozent für mich ebenfalls eine sinnvolle Obergrenze.

derStandard.at: Kritiker meinen, dass eine solche Steuer nur europa- oder sogar weltweit Sinn machen würde. Besteht die Gefahr einer "Kapitalflucht" oder sonstiger negativer Auswirkungen auf EU-Binnenmarkt und Währungsunion?

Hofer: Ja, diese Gefahr besteht absolut.

derStandard.at: SPD-Vorsitzender Müntefering hat den Begriff "Heuschrecken des Finanzkapitals" in die Diskussion eingebracht. Was ist dagegen einzuwenden, dass Investoren Geld möglichst gewinnbringend anlegen wollen?

Hofer: Wenn sich Müntefering vor der Bundestagswahl in Deutschland weit links positioniert, dann ist das zumindest aus parteistrategischer Sicht verständlich - dass aber in Österreich nun nach der SPÖ auch die ÖVP wirtschaftspolitische Forderungen der KPÖ übernimmt, das überrascht doch einigermaßen und kann von mir schwer nachvollzogen werden.

Der Begriff "Heuschrecken des Finanzkapitals" ist sicherlich ein netter "Sager" für den Wahlkampf der SPD in Deutschland. Man sollte das nicht überbewerten. (red)