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Foto: REUTERS/Toby Melville

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Blumen zum Gedenken an die Terroropfer in seiner Stadt: Ken Livingstone

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"London wird das aushalten", schrieb Ken Livingstone in das Kondolenzbuch, das seit zwei Tagen in seinem Rathaus aufliegt. "Die Stadt ist die Zukunft unserer Welt – Toleranz und Wandel."

Er war noch in Singapur, Olympia 2012 feiern, als die Terrornachricht in die fröhliche Runde platzte. Noch in Asien schaltete sich der Bürgermeister in die Arbeit des Krisenstabs ein – man habe das lange geübt, ausdrücklich auch für den Fall, dass er abwesend sei. Seitdem hat er sich als Stimme seiner Stadt profiliert. Die personifizierte steife Oberlippe, das Symbol britischer Sturheit, an der sich Fanatiker jeglicher Couleur die Zähne ausbeißen mögen.

Am Dienstag fuhr Livingstone in aller Seelenruhe U- Bahn, genau wie am Montag, als ihn Fotografen im Tunnel begleiten durften. Mit der U-Bahn fährt er immer. Er wohnt in Willesden Green, im Nordwesten der Metropole, und wenn er die Jubilee Line nimmt, steht er in einer halben Stunde vor seiner gläsernen Rathausscheibe in der Nähe der Tower-Brücke. Diesmal aber ist die tägliche Pendeltour mehr als Routine.

Livingstone will Zeichen setzen für seine Mitbürger, die, trotz der Fassade des Stoizismus, innerlich doch ziemlich aufgewühlt sind. Was geschehen ist, was die Bombengefahr für den Alltag bedeutet, das alles sickert erst langsam in die Köpfe. Der "Mayor" – ein Altlinker – macht vor, wie man gegen flatternde Nerven ankämpft. Demonstrativ liest er, durch den Untergrund zuckelnd, Zeitung. Er schüttelt Veteranenhände, streichelt Kinderwangen, redet beruhigend mit Pfarrern, als wäre er der Seelsorger und nicht sie. Was Rudy Giuliani für das New York des 11. September war, ist Livingstone für das London des 7. Juli.

Seit den Anschlägen klingt der 60-Jährige fast wie Churchill. Der hatte die Briten im Krieg, als deutsche Bomben auf London fielen, zum Durchhalten angefeuert. Livingstone sagt: "Wir arbeiten weiter in dieser Stadt, wir genießen diese Stadt, so wir es an jedem anderen Tag auch tun." Und: "Stadtluft macht frei." Sucht er Vergleiche, bezieht er sich auf Winston Churchill. Einem Buch über den Zweiten Weltkrieg hatte der Expremier einst den Titel "Triumph und Tragödie" gegeben. Für Livingstone fasst die Zeile die letzte Londoner Woche, den Gefühlssturz von Olympia zur Terror-Trauer, so gut zusammen "wie kein anderer Satz". (DER STANDARD, Printausgabe, 13.07.2005)