Wien - Den Ursachen für das schwere akute Atmungssyndrom Sars ist der Molekularbiologe Josef Penninger auf die Spur gekommen. In kürzlich erschienenen Beiträgen in den Zeitschriften Nature und Nature Medicine analysieren er und sein Team die Rolle des Enzyms ACE2 bei der Entstehung des Lungenversagens, das bisher fast 1000 Todesopfer gefordert hat.

An diesem Protein dockt das Sars-Virus an, gelangt ins Zellinnere und blockiert es danach bei seiner Funktion in der Zelle, nämlich die Wände von Blutgefäßen dicht zu machen. Wenn die Wände aber undicht werden, tritt Blutserum aus und überflutet Organe. Lungenödeme zählen zu den solchermaßen verursachten fatalen Folgen.

Penninger untersuchte die Wirkungen von ACE2 schon in seiner Zeit in Toronto, damals noch auf die Entwicklung und Steuerung des Herzens und des Blutdrucks bei Menschen und Tieren. Kurz nachdem er die Leitung des neu gegründeten Instituts für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (IMBA) übernommen hatte, konzentrierte sich das Augenmerk der internationalen Forschergruppe auf die gerade ausgebrochenen Sars-Infektionen. Die Wissenschafter konnten zeigen, wie bedeutsam das Enzym für die Verbreitung des Sars-Virus ist.

Das aber, so schloss Penninger, könnte bedeuten, dass die Gabe von künstlich hergestelltem ACE2 den Zustand von erkrankten Organismen bessern würde. An von Sars befallenen transgenen Mäusen konnte er genau das belegen.

Verwertungschancen

Damit eröffnet sich die Möglichkeit einer weit umfassenderen Therapie als "nur" einer für die letale Lungeninfektion. Bei Ödemen könnte die Verabreichung von ACE2 Menschenleben retten. "Auch andere gefürchtete Krankheiten", sagt Penninger, "etwa Vogelgrippe oder Anthrax, wird man ursächlich (und nicht nur an den Symptomen) therapieren können", ebenso die Folgen von Sepsis oder eines Durchbruchs von Mageninhalt in die Lunge.

Die IMBA-Forscher sehen darin eine Möglichkeit, im Fall eines Anthrax-Anschlags mit einer Arznei gegenzusteuern. Die wird zwar noch eine Zeit lang auf sich warten lassen - in frühestens zwei Jahren wird es erste klinische Versuche geben.

Doch diesbezügliche Patente sind immerhin bereits angemeldet und international konkurrierende Pharmaunternehmen dadurch auf die Plätze verwiesen. Eine Chance auf die oft herbeigewünschte Kooperation von akademischer Forschung und unternehmerischer Verwertung ist somit gegeben. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12. 7. 2005)