Berlin - Noch vor der offiziellen Präsentation des Wahlprogramms der Union hat der Wunsch-Koalitionspartner FDP seine Kritik an dem Papier bekräftigt. Der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle sagte der "Berliner Zeitung" (Montag): "Nach dem, was jetzt vom Programm bekannt ist, wird es in einer schwarz-gelben Koalition noch ein hartes Stück Arbeit, die Union auf den Pfad der marktwirtschaftlichen Vernunft zurück zu bringen". Sein Stellvertreter Rainer Brüderle sagte derselben Zeitung: "Das Unionsprogramm braucht in vielen Punkten die FDP als liberales Korrektiv".

FDP-Fraktionschef Wolfgang Gerhardt erneuerte die Kritik an der von der Union angekündigten Erhöhung der Mehrwertsteuer von 16 auf 18 Prozent. In der ARD-Sendung "Sabine Christiansen" sagte er am Sonntagabend zu diesem Punkt: "Das ist milde ausgedrückt, dass wir erstaunt gewesen sind". Die politische Klasse in Deutschland müsse es "fertig bringen, ohne Steuererhöhung ein Stück Arbeitsmarktreform, ein Stück Steuervereinfachung, eine Neubestimmung der Steuersätze" zu Stande zu bringen.

Brüderle verlangte eine spürbare steuerliche Entlastung, ohne die die Balance zwischen Eigenverantwortung und kollektiver Sicherung nicht hergestellt werden könne. In dem Wahlprogramm von CDU und CSU, das am Montag in Berlin von den Parteispitzen der Union verabschiedet werden soll, heißt es dagegen, für eine Nettoentlastung der Steuerzahler bestehe "vorerst kein Spielraum". Nach der Sitzung der Parteivorstände werden Kanzlerkandidatin Angela Merkel (CDU) und CSU-Chef Edmund Stoiber das Programm der Öffentlichkeit vorstellen.

CSU-Politiker Glück: Noch Klärungsbedarf

Der Präsident des bayrischen Landtags, Alois Glück (CSU), hat darauf hingewiesen, dass im Wahlprogramm der deutschen Union noch nicht alle Themen abschließend beraten seien. Einzelne Punkte des Programms wie beispielsweise das Pensionsantrittsalter und die geplante Gesundheitsreform müssten noch genauer geklärt werden, sagte Glück am Montag dem Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB).

"Das hat noch Beratungsbedarf, und es ist halt bei einem so überraschend schnellen Wahltermin nicht jedes Detail in so kurzer Zeit solide durchrechenbar und konstruierbar." Es gehe jetzt darum, nichts zu verkünden, was später unhaltbar sei, sagte Glück.

Glück zeigte sich dennoch zufrieden mit dem Konzept: "Es sind klare Analysen gesetzt und ebenso klare Linien für die künftige Politik. Das belegt, dass die Union im Falle einer Regierungsübernahme rasch handlungsfähig ist."

Steuerreform-Pläne der Union

Nach dem der Deutschen Presse-Agentur bekannt gewordenen Entwurf will die Union nach einem Wahlsieg schon ab 2006 eine Steuerreform einleiten. Dies soll im ersten Schritt vor allem den Abbau der Steuerprivilegien für Großverdiener betreffen. Im Gegenzug zur Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung ist aber auch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer von jetzt 16 auf 18 Prozent ebenfalls ab 2006 geplant.

Kritik an der geplanten Mehrwertsteuererhöhung kam auch vom Bund der Steuerzahler. Sein Präsident Karl Heinz Däke sagte der "Thüringer Allgemeinen" (Montag): "Eine Anhebung der Mehrwertsteuer wäre ein erheblicher Schlag gegen die Konjunktur. Selbst wenn die höhere Mehrwertsteuer der Senkung von Lohnnebenkosten dient, würde sie viele Bürger belasten, zum Beispiel die Rentner".

Auch FDP-Generalsekretär Dirk Niebel bekräftigte die Kritik seiner Partei an den Steuerplänen der Union. Dem "Hamburger Abendblatt" (Montag) sagte er: "Eine höhere Mehrwertsteuer ohne eine große Strukturreform des Steuersystems wäre ein denkbar schlechter Start einer neuen Bundesregierung". Niebel betonte: "Wir brauchen nicht mehr Geld in maroden Kassen, sondern eine ernsthafte Sanierung. Mit einer Mehrwertsteuererhöhung die Sozialkassen entlasten zu wollen - das ist das Prinzip Ökosteuer, aber nicht marktwirtschaftliche Vernunft". (APA/dpa)