Zurzeit scheint es, als wollte die SPÖ ihren in den letzten Jahren doch verfestigten Grundsatz vergessen, die Tiroler zu fürchten, auch wenn sie Geschenke bringen - was immer es sei. So behaglich schnurrte sie los, als sie die harte Hand des erprobten Zuchtmeisters der Koalition plötzlich streichelte, dass der Genuss einer lange entbehrten Zuneigung unüberhörbar war. Nach dem Spott, den Klubobmann Wilhelm Molterer über die Roten ob ihrer eilfertigen Assistenz in Sachen Asylgesetz und Zivildienstnovelle ausgegossen hatte, mögen ihnen ja die milden Worte Andreas Khols wie Honigseim hinuntergegangen sein. "Regierungsfähig!" Und noch dazu: "Absolut!" So etwas tut gut.

Daraus aber zu schließen, selbst der schwarze "Wolf im Schafspelz" habe die stupende Qualität sozialdemokratischer Sachpolitik endlich erkannt und gewürdigt, wie es Bundesgeschäftsführerin Doris Bures ausdrückte, scheint doch etwas vermessen zu sein. Und sollte ebenso wenig ernst genommen werden wie Khols bewusst platzierter großkoalitionärer Gefühlsausbruch. Das ist rhetorisches Pingpong zwischen zwei politischen Gegnern, die einander nicht über den Weg trauen und auch keinen Grund dazu haben, mehr nicht.

Khol signalisiert einmal mehr beachtliche Geschmeidigkeit und sein Sensorium für die jeweils vorherrschende politische Windrichtung, und Bures signalisiert, dass sie weiß, wie das gemeint ist. Die "roten G'frieser" sind Khol über Nacht bestimmt nicht begehrenswerter geworden, er hat sie bloß in dem Maß wieder stärker registriert, in dem die blau-orangen an der arithmetischen Wahrnehmungsgrenze zu verblassen beginnen. Nur das hat Khol ausgedrückt, und ob das schmeichelhaft ist, darf die SPÖ beurteilen. Es ist auf jeden Fall ein Tirolergeschenk. (DER STANDARD, Printausgabe, 11.07.2005)