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Gefallene Helden: Worldcom-Chef Bernie Ebbers (oben) wurde zu jahrelanger Haft verurteilt. Carly Fiorina (Mitte), rares weibliches Exemplar im Spitzenmanagement, wurde der Abschied von HP mit 42 Millionen Dollar versüßt. Jürgen Schrempp (unten), DaimlerChrysler-CEO, einer der best bezahlten deutschen Manager vernichtete in seiner Amtszeit 50 Mrd. Euro an Aktionärsvermögen.

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Andreas Treichl, Chef der Erste Bank, hat mit seinem Vorjahresgehalt von 4,5 Millionen Euro für Aufsehen erregt. Terry Semel, Chef des US-Internetkonzerns Yahoo, hätte diesen Betrag bloß als Taschengeld abgetan: Er hat im Vorjahr 230 Millionen Dollar (192 Millionen Euro verdient). Das war mehr als jeder andere Chief Executive Officer (CEO), aber immer noch weniger als viele seiner Kollegen am Höhepunkt der Internetblase eingestreift hatten. Der Chef eines typischen US-Industriebetriebs verdient das 500fache des einfachen Arbeiters; in Deutschland, wo in den Vorstandsetagen auch nicht nur gedöst wird, ist es bloß das Elffache.

Die meisten Amerikaner hätten damit kein Problem, wenn die Leistung nur stimmt. Yahoos Börsenwert ist im Vorjahr explodiert: Nicht nur Semel, auch die Aktionäre und viele Mitarbeiter haben blendend verdient. Aber immer öfter haben Managergehalt und -erfolg miteinander nichts zu tun. US-Spitzenmanager verdienen auch dann Millionenbeträge, wenn die Aktien in den Keller rasseln, die Unternehmen Verluste produzieren oder die Chefs wegen grober Fehler auf die Straße gesetzt werden.

Goldene Fallschirme

So hat Hewlett-Packard den Abschied von Carly Fiorina mit 42 Millionen Dollar versüßt, und auch in anderen Konzernen sorgen "goldene Fallschirme" dafür, dass gescheiterte CEOs sehr sanft landen. Experten sind überzeugt, dass die perversen US-Gehaltsschemen ganz entscheidend für die Serie von Bilanzskandalen wie Enron und Worldcom mitverantwortlich waren.

Empörung in den Medien über Managerpfründe und die Mobilisierung von Aktionärsvertretern hat mancherorts ein Umdenken bewirkt: Der habgierige Chef der New Yorker Börse, Richard Grasso, musste vor zwei Jahren gehen, als bekannt wurde, dass er 140 Millionen Dollar verdienen sollte. Zuletzt haben einige Spitzenmanager mit ihrem Grundgehalt von wenigen Hunderttausend Dollar ihr Auslangen finden müssen. Doch der streitbare US-Ökonom Paul Krugman warnte im Standard-Gespräch vor kurzem, dass die Gehälter in US-Vorstandsetagen wieder rasant steigen - deutlich schneller als die Gewinne.

All das ist nicht mehr bloß ein amerikanisches Phänomen: Die Überbezahlung von Spitzenmanagern hat bereits Europa angesteckt. In Großbritannien verdienen Vorstandschefs der größten 200 Unternehmen im Durchschnitt bereits 2,5 Millionen Euro im Jahr, und die Lücke zu ihren US-Kollegen schrumpft von Jahr zu Jahr. Und auch in Deutschland steigen die Gehälter schnell. Schließlich sieht es ein deutscher Vorstandschef nicht gern, wenn der Leiter seiner US-Tochter mehr verdient als er. Der politische und öffentliche Druck wirkt nur bedingt als Bremse.

Diese Entwicklung hat auch rationale Gründe: Ob ein Konzern mit mehreren Hundert Milliarden Dollar Umsatz seinem Chef fünf oder 50 Millionen Dollar bezahlt, schlägt sich in der Bilanz kaum nieder. Die Eigentümer, also die Aktionäre, wollen allerdings sicher gehen, dass der CEO ihre Interessen vertritt und alles tut, um den Unternehmenswert zu steigern. Das gelingt am besten, wenn er am Gewinn ordentlich partizipiert. Ein Manager ohne finanzielle Anreize wird etwa eher darauf schauen, dass sein eigener Job sicher und sein Büro besonders groß ist, als dass die Profite rasch steigen.

Aktienoptionen

Das war der Gedanke hinter den Aktienoptionen, die in den 90er-Jahren in immer größerem Umfang an Spitzenmanager ausgeteilt wurden. Eine Eigenheit des amerikanischen Bilanzwesens führte dazu, dass diese Optionen nicht als Ausgaben galten, obwohl ihre Ausübung die Zahl der Aktien erhöhte und damit den Gewinn für jeden Aktionär schmälerte.

Aktienoptionen sind wertlos, wenn der Börsenkurs unter einem gewissen Niveau liegt, dafür aber nimmt ihr Wert bei steigenden Kursen um ein Mehrfaches zu. Als Ende der 90er-Jahre die Börsen boomten, wurden auch mittelmäßige Manager reich. Und wenn das nicht genügte, verfielen sie der Verlockung, ihren Kurs durch Tricks und Betrügereien in die Höhe zu treiben. Die Folge war eine tiefe Vertrauenskrise im US-Finanzmarkt, auf welche Politik und Justiz reagierten. Manager wie Worldcom-Chef Bernie Ebbers wurden zu jahrelanger Haft verurteilt, und mit dem durch Bilanzskandale über Nacht verabschiedeten Sarbanes-Oxley-Gesetz müssen die CEOs mit ihrer Unterschrift für die Richtigkeit der Bilanz geradestehen; bei Fahrlässigkeit drohen Haftstrafen.

Auch die Bilanzregeln wurden verbessert: Aktienoptionen müssen in Zukunft als echte Ausgaben behandelt werden. Viele Konzerne verzichten daher auf dieses Instrument und zahlen stattdessen Bonusse, die Jahr für Jahr vom Verwaltungsrat beschlossen werden. Doch dort sitzen oft die Freunde des CEO, die auch in schwachen Jahren ein Auge zudrücken. Das Motto: Eine Hand wäscht die andere.

Benchmarking lässt Gehälter weiter steigen

Die Fehler beginnen meist schon bei Vertragsabschluss. Ein selbstbewusster Großkonzern möchte seinem neuen Chef nicht weniger zahlen, als die Konkurrenz es tut - dieses "Benchmarking" aber treibt den Durchschnitt ständig in die Höhe. Sollte auch in Österreich die Veröffentlichung der Vorstandsgehälter Pflicht werden, so könnte dies perverserweise zum Anreiz für noch höhere Gehälter werden.

Absurderweise dürfte gerade das Sarbanes-Oxley-Gesetz die US-Managergehälter weiter steigen lassen. Denn ein CEO, der persönlich haftet, will für die zusätzliche Verantwortung auch angemessen entlohnt werden. Daher könnte die Entscheidung des österreichischen Gesetzgebers, die Managerhaftung in der aktuellen Gesellschaftsrechtsnovelle nicht auszuweiten, das Wachstum der heimischen Gehälter etwas bremsen. (Eric Frey, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9./10.7.2005)