Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: APA/Festspiele Reichenau/Jäger

Bild nicht mehr verfügbar.

Ihre gemeinsame Zukunft in der maroden Armee ist unterschiedlich kurz: Michael Dangl (li.) als Leutnant Carl Joseph von Trotta und André Pohl als Regimentsarzt Max Demand.

Foto: APA/Festspiele Reichenau/Jäger
Reichenau - Carl Joseph von Trotta ist der an die aussichtslose Zukunft des österreichischen Kaiserreichs verkaufte Sohn aus geschichtsträchtigem Haus: Hat sein Großpapa als Infanterieleutnant in der Schlacht von Solferino noch dem damals jungen Kaiser das Leben gerettet, so ist die für den Enkel ausgewählte Kadettenschule die reinste Berufsverfehlung. Der "kraftlose" Jüngling kann die der Vergangenheit erwachsenden Anforderungen nicht einlösen.

Am tapferen, allmählichen Zerbrechen dieses Mannes hat der ostgalizische Schriftsteller Joseph Roth das lang gezogene Ende der Donaumonarchie beschrieben. Sein Roman Radetzkymarsch ist das Lebensporträt eines nach gutem (wie schlechtem) väterlichen Gewissen ans sterbende Kaiserreich vergebenen Sohn.

Für die Festspiele Reichenau hat Helmut Peschina den das Ende in unaufgeregten, klugen Beschreibungen sezierenden Großroman dramatisiert. Dabei war die gedehnte Sterbensszene von Diener Jacques (Edd Stavianik) ein reines Zugeständnis an die Theaterökonomie. Sie beschloss im Speisesaal des Südbahnhotels am Semmering einen fahlen ersten Teil, in dem Michael Dangl als junger Leutnant von Trotta mit artigen Kinnbewegungen den Rat des mächtigen Vaters, felsenfest verkörpert von Wolfgang Hübsch, quittiert: "Danke, Papá!" Und mit gleichem Bengelgesicht stolz dann die von der ersten Geliebten (Ulrike Beimpold) geöffneten Uniformknöpfe an sich besieht. Gut: Astrit Alihajdaraj als von Trottas Diener.


Angst vor dem Tod

André Pohl überragt hier alle. Ihm als Regimentsarzt und Freund Trottas verdankt Regisseur Helmut Wiesner in seiner zähen, gediegenen Inszenierung die wenigen konzentrierten Momente, in denen hinter der Uniform der verbogene Mensch herausbricht. Pohl kann hier, auf der unsanft beleuchteten Laufstegbühne, die unterdrückte Angst vor dem sicheren Tod im Duell erzeugen! Ein großes Glück, dass er im nächsten Jahr in Onkel Wanja spielt.

Der zweite Teil im Waldhofsaal ist nicht mehr, aber auch nicht weniger als ein vernünftiges Arrangement enormer Schauplatzwechsel, inszenatorisch inspirierter, kompakter als der erste: Wiesner nützt die Terrasse für eine aus der Ferne durchscheinende Audienz-Szene beim Kaiser. Die ferngesteuert heruntergefahrenen Rollos verfinstern die breite Fensterfront zu einer intimen Szene im Zug, für die der junge von Trotta vom mondänen Grafen Chojnicki (entschlossen: Rainer Frieb) dessen Freundin Valerie Taussig (nochmals: Beimpold) ausgeliehen bekommt (Raumgestaltung: Intendant Peter Loidolt). Im musikalischen Leitmotiv des Strauß'schen Radetzkymarsches schließlich geht der ewige Enkel Carl Joseph, seiner Figur schon enthoben, als Erzähler seiner eigenen Geschichte zu Boden. Da war es zwar schon elf Uhr vorbei, doch jedes monarchistisch gesinnte Herz ganz munter. (DER STANDARD, Printausgabe, 08./09.07.2005)