Auch in die Ertüchtigung des Verteilnetzes will die EVN in Bulgarien kräftig investieren, um so die Leitungsverluste deutlich zu reduzieren.

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Wenn die Nacht hereinbricht über Plovdiv, wird es schummrig in den Straßen der zweitgrößten Stadt Bulgariens. Während die Hauptdurchzugsrouten relativ gut ausgeleuchtet sind, muss man auf Nebenstraßen und Gehwegen in der Altstadt schon gut aufpassen, um nicht zu stolpern. Im Dunkel der Nacht übersieht man Gehsteigränder und Löcher nur allzu leicht.

Die 350.000 Einwohner zählende Stadt ist Sitz des Stromversorgers EDC Plovdiv, der wie das gleichnamige Stromunternehmen der Nachbarregion Stara Zagora seit Jahresbeginn mehrheitlich der EVN gehört. Der niederösterreichische Stromversorger hat sich den Einstieg in dem Schwarzmeerland 271 Millionen Euro kosten lassen.

Liberalisierung ab Juli 2007

Der Strom muss derzeit noch zu vorgegebenen Konditionen von der staatlichen NEK, einer Art bulgarischer Verbundgesellschaft, zugekauft und zu vorgegebenen Preisen an Unternehmen und Haushalte weiterverkauft werden. Im Juli 2007 hört sich das auf, dann soll es auch in Bulgarien völlige Freiheit am Strommarkt geben. Die EVN hat nun auch Interesse an einer eigenen Stromerzeugung im Land und sieht Potenzial im Abwasser-, Müllverbrennungs- und Fernwärmebereich (siehe Bericht "EVN spitzt in Bulgarien auf Zusatzgeschäfte").

Zurzeit sieht man großes Potenzial vor allem im Stromverkauf. "Wenn man sich umsieht, bemerkt man den Nachholbedarf", sagte der im EVN-Konzern für Bulgarien zuständige Vorstand Peter Layr dem STANDARD. Nicht nur die Beleuchtung in Dörfern und Städten sei mit Ausnahme vielleicht von Sofia noch auf Sparflamme. Der Stromkonsum insgesamt liegt deutlich unter dem in Westeuropa üblichen Niveau. So verbraucht ein durchschnittlicher bulgarischer Haushalt etwa 30 bis 40 Prozent weniger Strom als ein österreichischer. Das hängt mit der noch vergleichsweise dürftigen Ausstattung an Elektrogeräten zusammen.

Veraltete Stromzähler

Ein Phänomen, mit dem die EVN zu kämpfen hat, ist der Stromschwund. "Stromstehlen ist ein Breitensport hier. Ob jung oder alt, arm oder reich: das zieht sich durch alle Bevölkerungsschichten", erzählt Stefan Szyszkowitz, Chef der EVN Bulgaria.

Schuld daran seien die mitunter 30 Jahre alten elektromechanischen Stromzähler. Mit relativ einfachen Mitteln ließen sich diese manipulieren mit der Folge, dass etwa jede zehnte Kilowattstunde irgendwohin verschwindet, zumindest nicht bezahlt wird.

Der Fantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt. Einmal werde die Isolierung der Strom zuführenden Kabel gelöst und der Zähler durch einen Draht überbrückt, ein andermal der Zählkasten selbst manipuliert. Es gebe aber auch Fälle, wo Kontrolleure beim Ablesen der Zähler geschmiert werden, um nicht das zu sehen, was sie sehen müssten. Und dann seien da Gemeinden, die ihre Rechnungen nicht bezahlen in der Annahme, sie könnten damit Druck auf die Regierung ausüben, um stärkeres Gehör für ihre Anliegen zu finden.

Millioneninvestition

Mit einem Zählertausch will die EVN in Bulgarien nun versuchen, diesen Schwund zu verringern – eine Millioneninvestition, wie es heißt, zumal 400.000 Uraltzähler zu tauschen seien. Diese Maßnahme sei von der Regierung in Sofia vorgegeben und sollte letztlich auch zu höheren Verkaufspreisen führen. Der Preis für eine Kilowattstunde Strom im Versorgungsgebiet der EVN Bulgaria beträgt derzeit umgerechnet rund zehn Cent. Höhere Preise können sich Teile der Bevölkerung derzeit aber schlicht nicht leisten. Das Durchschnittseinkommen der Bulgaren liegt bei etwa 400 Lewa, das sind knapp 200 Euro im Monat. Benzin und Diesel kosten fast so viel wie in Österreich. "Ich tanke fünf Liter, mache mit meiner Familie einen Ausflug und lasse das Auto dann wieder stehen", sagt Stanislav, der gerade einen Boxenstopp bei einer OMV-Tankstelle eingelegt hat.

Nicht nur der Stromschwund ist ein Problem. Die Netzverluste etwa liegen in einer Größenordnung von knapp zehn Prozent; in Österreich machen die "technischen Verluste" fünf bis sieben Prozent aus. Durch eine Ertüchtigung des Stromnetzes will die EVN diese Verluste auf westliches Niveau drücken – mit ausdrücklicher Billigung der Regierung in Sofia. (Günther Strobl aus Plovdiv, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9./10.7.2005)