Die Wittgenstein- und START-Preise des Wissenschaftsfonds FWF sind Tradition geworden. Bereits zum zehnten Mal wurden sie am gestrigen Freitag verliehen. Insgesamt 8,6 Millionen Euro kommen in den nächsten Jahren zwei Spitzen- bzw. fünf viel versprechenden NachwuchsforscherInnen zugute.

Wie bisher überwiegen die Naturwissenschaften und sind Frauen unterrepräsentiert. Anders als bisher stehen die Chancen auf mehr Förderung gut - sehr gut in den Augen von Bundeskanzler Schüssel, der den Festakt im Wissenschaftsministerium eröffnete ("Wir sind besser, als wir selber wissen"); nicht gut genug, folgt man den kritischen Ausführungen einiger FestrednerInnen, die für noch weit stärkere Anerkennung und Unterstützung der Grundlagenforschung plädierten.

Die internationale ExpertInnenjury entschied sich dieses Jahr, gleich zwei herausragende Forscher mit je fast 1,5 Millionen Euro Wittgenstein-Preisgeld auszuzeichnen. Der Australier Barry J. Dickson, Biologe, derzeit Senior Scientist an Penningers Institut für Molekulare Biotechnologie sowie designierter wissenschaftlicher Leiter des Instituts für Molekulare Pathologie, beschäftigt sich mit der genetischen Steuerung des Aufbaus neuronaler Netzwerke. Bahnbrechende Arbeiten gelangen ihm an der Fruchtfliege.

Rudolf Grimm, aus Mannheim stammender Experimentalphysiker an der Uni Innsbruck und Leiter des Instituts für Quantenoptik und -information IQOQI, machte mit seiner Forschung über das Verhalten von Gasatomen und -molekülen in allertiefsten Temperaturen (Stichwort Einstein-Bose-Kondensat) wissenschaftliche Schlagzeilen und bestärkte den Ruf von Innsbruck als (paradoxerweise) Hot Spot der Physik.

"Rand"-Probleme

Zu den START-Rezipienten, alle um Mitte dreißig, zählt der Mathematiker Michael Hintermüller aus Linz. An der Uni Graz wird er sich "Rand"-Problemen, d. h. Brüchen, Rissen und Spalten mathematisch widmen. Anwendungen sind in Finanz und Medizin ebenso wie in Materialkunde vorauszusehen.

Matthias Horn, aus Karl-Marx-Stadt/Chemnitz gebürtig, ist am Wiener Department für Mikrobielle Ökologie tätig und wird sich mit dem Preisgeld der Pathogenität von Chlamydien ("gemeine Zellen, die sich intrazellulär verstecken") widmen, um aus den Anpassungsstrategien dieser Krankheitserreger neue Therapieansätze aufzuzeigen. Wie die "Verpackung" von DNA in Zellkernen vor sich geht, wird die Lienzerin Alexandra Lusser am Biozentrum der Uni Innsbruck erforschen. Die Bedeutung eines Verpackungsfaktors hat mit der Entstehung von Erkrankungen zu tun, das Verständnis ihrer Ursache und Behandlung ist daher Fernziel.

Einer der beiden diesjährigen START-Geisteswissenschafter ist Michael Moser aus Linz. Der Slawist an der Uni Wien wird tausend Jahre ukrainische Sprachgeschichte in Galizien untersuchen und dürfte damit sein Renommee als einer der profunden Kenner dieser Sprache ausbauen.

Der Bonner Archäologe Norbert Zimmermann schließlich wird die größte Katakombe Roms (Domitilla) vollständig digital dokumentieren und damit ihre topografische Entwicklung auch mit kunst- und (sozial)historischen Methoden analysieren. (Michael Freund, DER STANDARD, Print, 9./10.7.2005)