Die britischen Boulevardblätter präsentierten sich am Freitag überraschend einheitlich: Ein Foto auf der Titelseite auf schwarzem Hintergrund. Das Motiv war entweder der zerbombte Bus oder eine Aufnahme von einem zerstörten U-Bahn-Wagon bei der Aldgate-Station.

In den Opferzahlen überboten die Zeitungen einander, obwohl bei Redaktionsschluss nur 37 Opfer bestätigt waren: "Daily Mail" berichtete von 52 Toten, die "Sun" wusste von 55 Toten und einem Selbstmordattentäter im Bus, der "Daily Express" sogar von 75 Opfern. Auch die Titel auf Seite 1 waren ähnlich – allesamt Durchhalteparolen: "Blutend, aber ungebeugt", titelte der "Daily Mirror", "Wir Briten werden nie geschlagen sein", verkündete der "Daily Express", der sich selbst als "die weltbeste Zeitung" auf dem Titelblatt bezeichnet. Das Blatt kreierte den Titel "London Terror Blitz" und nahm damit Bezug auf Adolfs Hitlers Blitzkrieg 1940 gegen London und die Verwüstungen, die damals angerichtet wurden. Die Boulevardmedien brachten auch Fotos von damals.

Titelseiten, Foto: APA/EPA/Mike Conway

Umfang der Berichterstattung

Da nur wenige Fotos von den Anschlägen in London zur Verfügung waren, glichen die Blätter einander auch bei der Bildauswahl. Die mit Ausnahme des "Guardian" im Kleinformat erscheinenden Blätter überboten einander jedoch im Umfang der Berichterstattung: 23 Seiten offerierte die "Sun", die jeden Augenblick der "56 Minuten in der Hölle" ausleuchtete. Der "Daily Mirror" und der "Daily Express" warteten gleich mit 33 bzw. 35 Seiten "Terror-Reports" auf.

Endlosschleifen

Auch die TV-Stationen wiederholten in Endlosschleifen am Tag der Anschläge und danach die gleichen Aufnahmen. Am Freitag früh war dann die Sternstunde der Experten, die von einem zum nächsten Sender wanderten, ehe sie von Liveübertragungen von Pressekonferenzen und Charles und Camilla, die ein Spital besuchten, verdrängt wurden.

Charles und Camilla, Foto: REUTERS/Toby Melville
Charles und Camilla besuchten das St. Mary's Spital in Paddington.

Filme statt Sonderprogramm

BBC und der größte britische Privatsender ITV unterbrachen am Donnerstagabend gegen 20.30 Uhr Ortszeit ihre Sonderprogramme und strahlten einfach Filme aus, so als ob nichts geschehen wäre.

Vermissten- und Wohlbehalten-Nachrichten

Nur Sky TV hielt den Abend bis tief in die Nacht hinein an seinem Sonderprogramm fest: Der Renner war jedoch das Laufband. Was normalerweise nur bei Viva und MTV gemacht wird, dass via Laufband Botschaften an die Liebsten vermittelt werden, wurde an diesem Tag auch von Sky praktiziert: Via SMS wurden Vermissten- und Wohlbehalten-Nachrichten an die Redaktion geschickt, die diese Botschaften dann auf dem TV- Laufband weiter verbreitete.

Die meisten waren kurz nach dem Motto: "Mr. X and Mrs. Y o.k." Je später es wurde, desto seltener wurden dann die Aufrufe von verzweifelten Angehörigen und Freunden, sich doch bitte zu Hause zu melden. (Alexandra Föderl-Schmid aus London/DER STANDARD, Printausgabe, 9./10.7.2005)