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Die lebendige, quirlige Stadt Verona

Foto: Archiv
Eine Schönheit war sie tatsächlich, die "bella Foscarina", mit ihrem rotblonden Haar und der perlweißen Haut, die sie der Behandlung mit Vitriol verdankte. Ihr Bild hängt in der Villa Foscari, die die venezianische Adelsfamilie 1558 von Andrea Palladio als Sommerresidenz in Mira am Brentakanal erbauen ließ - und die seit 1970 wieder in Besitz der Familie ist. Weil die Gattin des Besitzers jedoch nicht nur schön, sondern auch flatterhaft gewesen sein soll, wurde sie von ihrem Mann jahrelang in der Villa vom Gesellschaftsleben in Venedig fern gehalten. Die Ungetreue brachte dem Landsitz den Namen "la Malcontenta", die Unzufriedene, ein.

Wer Venedig jemals bei 36 Grad und 80 Prozent Luftfeuchtigkeit erlebt hat, versteht, warum die Reichen und Schönen ab dem 16. Jahrhundert aus der Serenissma in die Sommerfrische auf das Festland flüchteten. Bereits 1730 verkehrte auf dem Brentakanal zwischen Venedig und Padua der "Burchiello", eine luxuriöse Barke. Auch heute kann man von März bis Oktober mit Burchielli den Brentakanal entlangfahren, neben der Malcontenta kann man auch die Villa Pisani in Strá besichtigen, in der sich ein Nationalmuseum befindet. Wenn, ja, wenn die Angestellten das Tor ein bisschen weiter als nur einen Spalt öffnen, um mitzuteilen, dass sie gerade in Streik getreten sind. Der Bauherr, Alvise Pisani, war Gesandter am Hofe Ludwigs XIV. und machte die Villa zu einem "piccolo Versailles".

Nun kann es durchaus sein, dass man nach einigen Tagen von der manierierten Schönheit Venedigs und der venezianischen Sommerfrische genug hat und sich schneller als mit zehn Stundenkilometern fortbewegen möchte. Gegen Letzteres hilft: rauf auf die Autobahn. Gegen Ersteres: ab zu einer Schönheit ganz anderen Kalibers - Verona. Sicher, auch in der Stadt am Adige wimmelt es vor Touristen, auch solchen, die unter dem erstbesten Balkon darüber diskutieren, ob das nun der Balkon der Julia sei. Verona jedenfalls ist eine lebendige, quirlige Stadt und nirgendwo bloß eine bewohnte, historische Kulisse.

Die Piazza Brà bei der Arena ist die Flaniermeile Veronas mit Cafés und Bars. Dort steht auch das schmale, rote Haus, in dem Maria Callas gewohnt hat, die in erster Ehe mit einem Veronesen verheiratet war. Man kommt natürlich nicht umhin, in der Via Cappello wenigstens einen Blick durch den Torbogen auf den Balkon der Julia zu werfen. Sich von den Massen in den Hof und wieder zurückschieben zu lassen ist dann doch etwas für robuste Gemüter. Stattdessen lohnt sich der Weg in die nächste Pasticceria, wo man sich die süßen "Baci di Giulietta" ("Julias Küsse") und "Sospiri di Romeo ("Seufzer Romeos") auf der Zunge zergehen lässt. (Der Standard/rondo/8/7/2005)