Berlin - Ein wichtiges Thema im deutschen Wahlkampf die Zukunft der sozialen Sicherungssysteme sein. Nachfolgend eine Aufstellung der Kernpositionen der Parteien zur Reform von Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung.

Krankenversicherung:

- Die SPD befürwortet die Einführung einer Bürgerversicherung, um die Krankenversicherung zukunftsfest zu machen. Dabei sollen alle Erwerbstätigen - also auch Gutverdiener, Beamte, Selbstständige und Politiker - in die Versicherungspflicht einbezogen werden. Beiträge werden auch auf Kapitalerträge erhoben. Durch Freibeträge sollen Durchschnittsersparnisse aber geschont werden. Miet- und Pachteinnahmen bleiben beitragsfrei. Die Patienten sollen ihre Kasse künftig frei wählen können, private Kassen müssen die gleichen Leistungen anbieten wie die gesetzlichen und jeden Bürger ohne Risikoprüfung aufnehmen.

- Für die Grünen ist die Bürgerversicherung seit langem das Wunschprojekt, um alle Bürger entsprechend ihrem Einkommen an der Finanzierung des Gesundheitssystems zu beteiligen und die Beitragssätze zu senken. Anders als die SPD wollten die Grünen bisher auch Beiträge auf Miet- und Pachteinnahmen erheben; in ihrem Wahlprogramm findet sich dazu aber keine Festlegung.

- Die Union strebt im Gesundheitssystem eine Einheitsprämie für alle gesetzlich Versicherten an. Im Gesundheitskompromiss von CDU und CSU vom Herbst 2004 betrug die Prämie 109 Euro und sollte durch die Arbeitgeberbeiträge auf 169 Euro aufgestockt werden. Die Krankenversicherung für Geringverdiener und für Kinder wird über überschüssige Arbeitgeberbeiträge sowie über Steuern finanziert. Dies jedoch würde Haushalts- oder Steuermittel in zweistelliger Milliardenhöhe erfordern. Ziel der Pauschale ist es, die Gesundheitsausgaben von den Arbeitskosten abzukoppeln. Der Beitrag der Arbeitgeber soll von 7,1 auf 6,5 Prozent gesenkt werden.

- Die FDP will die Kranken- und Pflegeversicherung in heutiger Form abschaffen. Die Versicherten müssen sich dem Konzept zufolge künftig privat versichern. Allerdings werden pauschalierte Bedarfssätze für jeden einzelnen festgelegt, die nicht unterschritten werden sollen. Liegt ein Arbeitnehmer mit seinem Gehalt abzüglich der Aufwendungen für Steuern und Sozialversicherungen unter dieser Grenze, bekommt er ein steuerfinanziertes Bürgergeld. Als erster Schritt sollen mehr kapitalgedeckte Elemente in das System eingebaut werden.

Pflegeversicherung:

- Die SPD setzt parallel zum Umbau der Krankenversicherung auch zur Sanierung der defizitären Pflegeversicherung auf eine Bürgerversicherung. Die klassische Trennung von gesetzlichen und privaten Kassen wird aufgehoben. Niemand soll privilegiert und niemand ausgegrenzt werden. Der Ansatz basiert im Wesentlichen auf einem Modell des Gesundheitsökonomen Karl Lauterbach, der sich durch die Einbeziehung von Beamten und Selbstständigen sowie von Zinserträgen Mehreinnahmen von vier Milliarden Euro jährlich verspricht. Die Leistungssätze der Zahlbeträge sollen der Preisentwicklung angepasst werden, die Leistungen in der ambulanten Pflege - insbesondere für Demenzkranke - sollen verbessert werden.

- Die Grünen wollen ebenfalls eine Bürgerversicherung im Pflegesektor, halten diese aber nicht für ausreichend. Zusätzlich wollen sie eine ergänzende private Vorsorge aufbauen. Die Grünen wollen darüber hinaus die ambulante Pflege stärken, neue Wohnformen fördern und die Leistungen für Menschen mit Demenz und psychischen Erkrankungen verbessern. Die Leistungssätze sollen angepasst, für pflegende Angehörige soll ein professionelles Unterstützungsnetz aufgebaut werden.

- CDU und CSU setzen in der Pflegeversicherung auf mehr kapitalgedeckte Elemente. Unklar ist jedoch noch, wie umfangreich die Kapitaldeckung sein soll. Die von der CDU eingesetzte Herzog-Kommission für Sozialreformen hatte 2003 ein kapitalgedecktes Prämienmodell vom Jahr 2030 an vorgeschlagen. Für die Übergangsphase sollte der Beitrag angehoben und ein Kapitalstock aufgebaut werden. Die Union strebt ebenfalls Verbesserungen für Demenzkranke und dynamisierte Leistungen an.

- Die FDP setzt wie in der Krankenversicherung auch bei der Pflege auf eine Pflicht zur privaten Absicherung. Geringverdiener erhalten ein Bürgergeld als Unterstützung.

Rentenversicherung

- Die SPD will die betriebliche und die private Altersvorsorge weiter stärken. Eine Rentenkürzung lehnen die Sozialdemokraten ab. Die SPD peilt zudem an, das tatsächliche Renteneintrittsalter dem gesetzlichen Alter von 65 Jahren anzugleichen. Eine Anhebung des Rentenalters auf 67 Jahre findet sich im Wahlmanifest nicht. Auch größere Umbaupläne sind darin nicht enthalten. Nach der Riester-Reform gab es unter der rot-grünen Bundesregierung im vergangenen Jahr eine Rentenreform, mit der unter anderem der Nachhaltigkeitsfaktor in die Rentenformel eingefügt wurde.

- Die Grünen wollen die private Altersvorsorge ausweiten und deren Akzeptanz in der Bevölkerung steigern. Außerdem wollen die Grünen einen neuen Generationenvertrag.

- Die Union hat noch kein Wahlprogramm vorgelegt, will jedoch die kapitalgedeckte Zusatzvorsorge so ausdehnen, dass die Arbeitnehmer möglichst flächendeckend neben der gesetzlichen Rente privat für den Ruhestand vorsorgen. Die Union strebt zudem eine neue Rentenformel an. Einig sind sich CDU und CSU, dass es in der Rentenversicherung einen Kinderbonus geben soll, wobei die Höhe und die Finanzierung noch unklar sind. Die Anhebung des gesetzlichen Rentenalters auf 67 Jahre ist vom Tisch.

- Die FDP will die private Riester-Rente entbürokratisieren und attraktiver machen. Die Fördermöglichkeiten sollen auch auf Selbstständige und Frührentner ausgedehnt werden. Auch die betriebliche Entgeltumwandlung soll weiter gefördert werden. Die Aufwendungen für die Privatvorsorge sollen auf ein zentrales Konto fließen, um Arbeitgeberwechsel zu erleichtern. Durch kürzere Schul-, Studien- und Ausbildungszeiten will die FDP die aktive Beitragsphase verlängern. (APA/Reuters)