Belgrad - Eine Woche vor dem zehnten Jahrestag des schwersten Kriegsverbrechens in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg, dem Massaker in der einstigen Bosniaken-Enklave Srebrenica, wird in Belgrad, nun aber auch in Podgorica die Fahndung nach den zwei meist Verantwortlichen, den früheren bosnisch-serbischen Führern Radovan Karadzic und Ratko Mladic, intensiviert.

Laut Medienberichten haben sowohl die serbische Polizei wie auch die montenegrinische Polizei in den letzten Tagen nach Karadzic gefahndet. In Belgrad und unweit der montenegrinischen Kleinstadt Niksic, wo Karadzic geboren wurde, wurden Wohnungen und Häuser seiner engsten Verwandten durchsucht.

"Wir haben weder offizielle noch inoffizielle Informationen über das Versteck von Karadzic", versicherte der Polizeichef in Niksic, Dusko Koprivica, der Belgrader Presseagentur BETA.

Der serbische Nachrichtendienst BIA hatte letzte Woche zum ersten Mal das bestätigt, was Journalisten schon zuvor vermutet hatten: Dass nämlich Mladic bis 2002 ungehindert in seiner Belgrader Villa gelebt hatte.

Auf ein Thema, das in Zusammenhang mit Karadzic in den letzten Jahren immer wieder auftauchte, hat gegenüber dem Sender B-92 der Mitarbeiter der montenegrinischen Tageszeitung "Vijesti", Seki Radoncic, verwiesen. Er schließe nicht aus, dass sich Karadzic in einem (serbisch-orthodoxen) Kloster verstecke, meinte er. Seiner Ansicht nach hätten gerade Geistliche in den letzten Jahren immer wieder als Karadzics sicherste Helfer fungiert. Solche Behauptungen wurden von der serbisch-orthodoxen Kirche immer wieder zurückgewiesen. Der Verdacht ist jedoch aufrecht.

In Srebrenica wurden von bosnisch-serbischen Truppen zwischen dem 11. und 19. Juli 1995 rund 7.800 Stadteinwohner ermordet. Die Auseinandersetzung der serbischen Öffentlichkeit mit der Kriegsvergangenheit geht aber nur mühsam voran.

Rasim Ljajic, serbisch-montenegrinischer Menschenrechts- und Minderheitenminister, meint jedoch, dass die Aussichten auf die Festnahme von Mladic noch vor dem Jahrestag des Massakers "minimal" seien. "Wir sind absolut fest entschlossen, ihn (Mladic, Anm.) festzunehmen", versicherte der Minister der in Sarajevo erscheinenden Tageszeitung "Dnevni avaz" am Montag. Der von ihm geleitete Nationalrat für Zusammenarbeit mit dem UNO-Tribunal will demnächst auch eine Aktion starten, um die Öffentlichkeit Serbien-Montenegros mit den Kriegsverbrechen zu konfrontieren.

"Wir haben zwei extreme Standpunkte. Es gibt jene, die glauben, dass sich die Öffentlichkeit durch kurzfristige Aktionen, Plakate und Filme mit der Vergangenheit auseinander setzen wird. Andererseits haben wir jene, die alles unter den Teppich kehren wollen. Für richtige Resultate ist eine Aktion des Staates notwendig", so Ljajic.

Die Plakate, mit denen eine nichtstaatliche Organisation seit letztem Donnerstag in Belgrad auf das Srebrenica-Massaker aufmerksam machen will, sind inzwischen größtenteils beschmiert. "Um zu sehen, um zu wissen, um in Erinnerung zu behalten", steht auf den Plakaten. Nun wurden viele mit dem Satz "Es wird eine Wiederholung geben" beschmiert.

Das serbisches Parlament hatte es Mitte Juni nicht geschafft, zu einer gemeinsamen Deklaration zu Srebrenica zu finden. Die Entscheidung von Präsident Boris Tadic, der Trauerfeier in Srebrenica am kommenden Montag beizuwohnen, hat nun auch Unterstützung aus dem Kabinett von Ministerpräsident Vojislav Kostunica erhalten. Sie sei eine sowohl notwendige wie auch für das Land wichtige Geste, meinte am heutigen Montag ein Berater des Regierungschefs. Vladeta Jankovic versicherte gegenüber der Tageszeitung "Blic" gleichzeitig, dass Mladic "in absehbarer Zeit" vor Gericht erscheinen werde. "Es ist einfach unmöglich, eine Lösung für eine so wichtige Frage nicht zu finden", meinte er. (APA)