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Grafik: APA
Wien – Selbst wer das angeblich verflixte siebte (Ehe-)Jahr in trauter Zweisamkeit überstanden hat, kann sich nicht in Sicherheit wiegen. Denn im Durchschnitt hält der angeblich fürs Leben gedachte Bund derzeit neuneinhalb Jahre, zeigen die Zahlen der Statistik Austria für das Jahr 2004.

Insgesamt endeten im Vorjahr 19.590 Ehen vor dem Scheidungsrichter. Die Scheidungsrate liegt damit bei 46,1 Prozent – um einen Zehntelprozentpunkt über dem bisherigen Höchststand im Jahr 2001. Dieser laut Statistikern „historische Rekordwert“ bedeutet, dass sich 46 von 100 Paaren wieder vor Gericht trennen.

Sprung vor zehn Jahren

Deutlicher wird die Entwicklung im 20-Jahres-Vergleich: bis Ende der 80er-Jahre pendelte die Scheidungsrate um die 30-Prozent-Marke, ehe sie vor zehn Jahren einen Sprung auf 38-Prozent machte. Seit der Novelle des Eherechts im Jahr 2000, bei der unter anderem Unterhaltszahlungen neu geregelt wurden, liegt die Rate kontinuierlich über 43 Prozent.

Für Rudolf Karl Schipfer vom Österreichischen Institut für Familienforschung (ÖIF) ein Beleg, dass die Scheidung mittlerweile „ein gesellschaftlich akzeptiertes Modell“ geworden sei. Die Bereitschaft die Ehe zu beenden werde immer größer, auch bei den Älteren gäbe es diese Tendenz. Was sich in den Zahlen niederschlägt: Im Vorjahr war jedes zehnte Scheidungspaar länger als 25 Jahre verheiratet gewesen, exakt 13 Paare trennten sich nach dem 50-jährigen Ehejubiläum der „goldenen Hochzeit“.

Hohe Erwartungen

Schipfer sieht in den steigenden Scheidungsziffern auch ein Zeichen für die hohe Anspruchserwartung in die Beziehung – die sich dann nicht erfüllt. Für Jugendliche stehen bei Meinungsumfragen zwar Familiengründung und „stabile Partnerschaft“ immer ganz weit oben auf der Wunschliste. „Das Bewusstsein ,da muss ich durch‘ bei Problemen ist aber nicht mehr so vorhanden“, ist Schipfer überzeugt.

"Ehecheck" vor dem Urlaub

Für den Berufsstand der Rechtsanwälte ist der Trend jedenfalls ein gutes Geschäft. Der Wiener Anwalt Michael Witt bietet wie auch andere Standeskollegen einen „Ehecheck“ zum Pauschalpreis an. Eigentlich ist dieses Offert gedacht, um vor dem Gang zum Standesamt rechtliche Fragen abzuklären. Witt ortet allerdings „eine steigende Nachfrage“ bei schon Verheirateten, „gerade vor der Urlaubszeit“. Offenbar findet im Sommer und vor den Weihnachtsfeiertagen eine „verstärkte Bewusstseinsbildung“ statt, und der Wunsch nach Trennung wird stärker, beobachtet der Jurist.

Die Scheidung erfolgt übrigens in 89 Prozent der Fällen einvernehmlich. Für die 15.607 Minderjährigen, die durch die Trennung einen Elternteil „verlieren“, wahrscheinlich ein eher schwacher Trost. (Michael Möseneder, DER STANDARD Printausgabe, 05.07.2005)