Feichtinger (li.), Hengstschläger: "Künftig ist es ein Kunstfehler, wenn man bei In-vitro diese Diagnostik nicht macht."

Suche im genetischen "Abfallkorb": Der "Polkörper" der weiblichen Eizelle, der genetische Informationen enthält, aber für die Befruchtung nicht erforderlich ist, wird abgesaugt und auf genetische Defekte untersucht.

Wien - Univ.-Prof. Markus Hengstschläger ist Humangenetiker an der Uni Wien, Univ.-Prof. Wilfried Feichtinger ist ein bekannter Pionier der In-vitro-Befruchtung. Letztes Wochenende gelang den beiden ein Test auf genetische Defekte an einer Eizelle, die anschließend zur Befruchtung mit einer Samenzelle und zur Wiedereinsetzung in die Gebärmutter einer In-vitro-Patientin vorgesehen war.

Der medizintechnisch anspruchsvolle Vorgang gestattet in einem ersten Schritt, solche Eizellen auszuscheiden, die keine Aussicht auf Entwicklung gehabt hätten: "Je nach Alter der Frau sind bis zu 75 Prozent der Eizellen genetisch tot", sagt Hengstschläger.

In-vitro-Methode

Bei der normalen In-vitro-Methode wird zunächst die Produktion von Eizellen bei der Frau hormonell stimuliert, dann werden einige entnommen, im Reagenzglas ("in vitro") mit der Samenzelle befruchtet und wieder eingesetzt.

So sind weltweit inzwischen geschätzte 1,8 Millionen Kinder von ansonsten unfruchtbaren Paare entstanden.

PID

Durch die Präimplantationsdiagnostik (PID) kann man die Zahl der psychisch belastenden Fehlversuche stark herabsetzen, weil von vornherein lebensunfähige Eizellen nicht eingesetzt werden. Außerdem kann man etwa das bei älteren Elternpaaren häufigere Down-Syndrom (Mongolismus) früh erkennen und ist nicht auf eine relativ riskante Fruchtwasseruntersuchung angewiesen, auf die dann vielleicht eine Abtreibung im vierten Monat folgt. Auch Mehrlingsschwangerschaften können minimiert werden, weil nicht "zur Sicherheit" mehrere (bis zu drei) Eizellen eingesetzt werden müssen.

PID ist eine an sich bekannte Technik, die in mehreren europäischen Ländern, in den USA und Asien praktiziert wird. Dort allerdings an der bereits befruchteten Eizelle bzw. an "Achtzellern" oder Blastomeren. Diese Form der PID ist in Österreich (vorläufig) nicht erlaubt, weil es sich ja nach christlicher, aber auch bioethisch strenger Auffassung um "bereits angelegtes Leben" handelt.

Feichtinger und Hengstschläger wählten deshalb die PID an der unbefruchteten Eizelle bzw. an deren so genanntem Polkörper. Dessen genetische Zusammensetzung erlaubt Rückschlüsse auf das Genom in der Eizelle. Es werden dabei Eizellen und Samenzellen gewonnen, die Samenzelle in die Eizelle injiziert, aber vor der Verschmelzung der beiden Zellkerne mit jeweils mütterlichem und väterlichem Erbgut wird der Polkörper abgesaugt und getestet.

Ziele

Obwohl also nur das weibliche Erbgut getestet werden kann, "decken wir damit 90 Prozent unserer Ziele ab, nämlich ob diese Eizelle überhaupt eine Schwangerschaft auslösen könnte" (Feichtinger). Der logische nächste Schritt, nämlich ein Test etwa auf in der Familie bekannte Erbkrankheiten, ist (noch) nicht erlaubt, weil das österreichische Fortpflanzungsmedizingesetz nur eine PID gestattet, die "zur Herbeiführung einer Schwangerschaft erforderlich ist".

Feichtinger und Hengstschläger hoffen aber mit ihrer Methode, die in Europa "nur von einer Hand voll Labors beherrscht wird", die Grenzen des gesetzlich Erlaubten weiter hinauszuschieben. (DER STANDARD, Print, 2./3.7.2005)