Geht die Vertrauensabstimmung so aus, wie es sich Kanzler Schröder wünscht - entzieht ihm der Bundestag also das Vertrauen -, richten sich ab dem Nachmittag alle Blicke auf Horst Köhler.

Genau ein Jahr nach seinem Amtsantritt ist dann der Bundespräsident am Zug. Hat Schröder das Vertrauen des Bundestages nicht mehr, kann der Bundespräsident binnen 21 Tagen das Parlament auflösen und binnen 60 Tagen Neuwahlen ansetzen.

Der Druck auf Köhler ist enorm, da alle Parteien im Herbst wählen wollen. Andererseits will das Staatsoberhaupt nicht gegen die Verfassung verstoßen. Seit Wochen schon wälzt er mit seinen Experten das Grundgesetz und studiert vor allem das Protokoll jener Vertrauensabstimmung, die Helmut Kohl 1982 gewollt hatte. Der damalige Bundespräsident Karl Carstensen hatte danach Neuwahlen angesetzt, was später vom Verfassungsgericht für rechtens erklärt wurde.

Weist Köhler die Forderung des Bundeskanzlers nach Neuwahlen zurück, könnte Schröder bis 2006 weiterregieren - oder zurücktreten; dann müsste der Bundestag einen neuen Regierungschef wählen. (bau/DER STANDARD, Printausgabe, 1.7.2005)