Mit dem am Mittwoch in Brüssel vorgestellten Verhandlungsrahmen für die Beitrittsgespräche der EU mit der Türkei sind die Erwartungen in Ankara weit gehend bestätigt worden. Bereits am Vortag hatte Ministerpräsident Tayyip Erdogan in einer Rede vor seiner Parlamentsfraktion angekündigt, dass der Weg der Türkei hin zu einer Vollmitgliedschaft sich nach dem Fahrplan, den der EU-Gipfel am 17. Dezember letzten Jahres vorgezeichnet hat, bewegen werde.

An die Adresse seiner innenpolitischen Gegner sagte Erdogan: Niemand solle daran zweifeln, dass die Türkei ihre Defizite in den Bereichen Demokratie, Justiz und wirtschaftliche Entwicklung so schnell wie möglich beseitigen werde, egal wie lange die Verhandlungen mit Brüssel dauern werden: "Die Türkei wird ihre Verantwortung wahrnehmen und die Glaubwürdigkeit der EU testen."

Vor Anerkennung Zyperns

Außenminister Abdallah Gül bestätigte am Mittwoch noch einmal, es gäbe keine Auseinandersetzungen oder Irritationen zwischen der EU-Kommission und der türkischen Regierung. In Ankara fühlt man sich für den Verhandlungsbeginn gewappnet. Am Tag nach dem fehlgeschlagenen Verfassungsreferendum in Frankreich hatte Erdogan demonstrativ Wirtschaftsminister Ali Babacan als Verhandlungsführer für Brüssel nominiert. Die im Dezember formulierte Voraussetzung für den Verhandlungsbeginn, die indirekte Anerkennung Zyperns über die Aufnahme des Landes in die seit 1995 existierende Zollunion Türkei-EU soll laut türkischem Außenministerium noch im Juli erfolgen. Ein mit der Kommission formuliertes Papier dazu liegt laut türkischen Medien bereits vor.

Die Türkei wollte mit einer abschließenden Erklärung aber warten, bis Premier Tony Blair am Freitag die Ratspräsidentschaft für ein halbes Jahr übernimmt. Die britische Regierung hat an einem Zypern-Kompromiss mitgewirkt, und Ankara erwartet deshalb, dass Blair die türkische Position unterstützt, wonach es sich bei der Erklärung nicht um eine förmliche Anerkennung Zyperns handele. (DER STANDARD, Print, 30.6.2005)