Das EuGH-Urteil über den Hochschulzugang in Österreich steht bevor und die Versuchung ist offensichtlich groß, auch aus dieser Frage ein parteipolitisches Gezänk zu machen (vgl. Gastkommentare von Josef Broukal und Gertrude Brinek ) Für die österreichischen Universitäten sind politische Auseinandersetzungen dieser Art allerdings alles andere als hilfreich. Was die Unis jetzt nicht brauchen, sind:

Kein parteipolitisches Hickhack, wer woran schon immer schuld gewesen ist; dies bringt erstens jetzt keine Lösung, und zweitens sei diskret daran erinnert, dass das Problem schon seit mehr als zehn Jahren bekannt ist und noch kein Wissenschaftsminister (egal, von welcher Partei er kam) das getan hat, was heute die Opposition fordert;

die Erweckung von naiven Illusionen, wonach Österreich entweder durch politische Gespräche ein Urteil abwenden hätte können oder aber imstande sein müsste, 24 andere EU-Länder von der Notwendigkeit zu überzeugen, von ihrem jeweiligen System des Hochschulzugangs abzugehen, nur weil Österreich ein Problem hat;

das Abgleiten in philosophisch-grundsatzpolitische Überlegungen, während gleichzeitig ausländische (nicht nur deutsche!) Studienbewerber/innen in großer Zahl nach Österreich drängen;

einen Wettstreit zur Erfindung neuer protektionistischer Ideen, wie man "die (armen) Österreicher" vor "allen anderen" schützen kann – denn die Umsetzung solcher Ideen wäre rechtswidrig und europapolitisch kontraproduktiv.

Was die österreichischen Universitäten vielmehr jetzt brauchen, sind der Willen, ein akutes Problem zu erkennen, zu analysieren und auch lösen zu wollen;

ein Zusammenstehen aller politischer Kräfte (Regierung und Opposition, Lehrende und Studierende), um in den nächsten Tagen eine kurzfristige gesetzliche Änderung zu erarbeiten, die einmal eine Atempause und geordnete Zulassungsverfahren an den Unis erlaubt;

ein klarer gesellschaftspolitischer Kontrakt über die weitere Vorgangsweise nach der jetzt zu beschließenden Kurzfristlösung.

Letztere sollte aus Sicht der österreichischen Universitäten aus zwei Teilen bestehen: Die Universitäten müssen erstens das Recht erhalten, in allen vom deutschen Numerus clausus betroffenen Studienrichtungen realistische Kapazitätsfestlegungen zu treffen. Der Gesetzgeber kann dabei Mindestgrenzen definieren, um so zu verhindern, dass unter dem Vorwand kommender Studienbewerber/innen des Auslands die Zahl der Plätze gegenüber dem Status quo verringert wird.

Außerdem behält das Ministerium auch in einer solchen Lösung mittelfristig die Kontrolle über die Zahl der angebotenen Plätze, weil diese über die Leistungsvereinbarungen festgelegt – aber auch finanziert – werden müssen.

Zweitens muss dort, wo die Zahl der Bewerber/innen die Kapazitäten überschreitet, ein Auswahlmechanismus gefunden werden, um zu entscheiden, wer einen Platz bekommt und wer nicht.

Dezentral entscheiden

Dieser Mechanismus soll sicher nicht den deutschen Numerus clausus kopieren – dieser ist ungerecht und ineffizient und wird bei uns zu Recht weithin abgelehnt. Vielmehr wird es für verschiedene Studienrichtungen unterschiedliche Mechanismen geben, die sinnvollerweise anzuwenden sind.

Oft wird es vernünftig sein, die Studierenden zuerst aufzunehmen und erst nach einer Eingangsphase eine endgültige Auswahl zu treffen. In einigen wenigen Studien wird die Auswahl vor Beginn des Studiums besser sein.

Es braucht also eine dezentrale – weil studienrichtungsspezifische – Entscheidung. Weshalb die Universitäten auch das Recht bekommen sollten, die Auswahlmechanismen selbst festzulegen. Eine zentralistische Lösung ist weder sachgerecht noch in der notwendigen Zeit implementierbar.

Eine Kurzfristlösung hätte nicht nur den Vorteil, innerhalb von zwei Jahren wichtige Erfahrungen zu können – wie groß ist der "Ansturm" tatsächlich und wie kann man die Auswahlfrage am besten lösen? – Sie würde auch genug Zeit geben, die notwendige Grundsatzdiskussion für eine langfristige Lösung zu führen.

Rasch handeln

Den Mindestanforderungen so einer Debatte zu genügen, hieße:

(1) die Notwendigkeit anzuerkennen, einer (im Vergleich zu heute) eher größeren als kleineren Zahl junger Österreicher/innen einen Studienabschluss zu ermöglichen;

(2) Konsens zu finden über die Zahl der in Österreich mittelfristig bereitzustellenden Studienplätze und deren Finanzierung – denn der Preis eines weit gehend freien Hochschulzugangs ist sicher höher als das gegenwärtige Budget der Universitäten;

(3) den Zusammenhang zwischen freier Wahl des Studiums und Arbeitsmarktchancen zu dokumentieren;

(4) dort, wo Kapazitätsengpässe unausweichlich sind, Auswahlverfahren zu entwickeln, die zu einem besonders hohen Anteil an erfolgreichen Studienabschlüssen führen.

Es geht daher nicht darum, die gesellschafts- oder europapolitischen Grundsatzfragen hinter dem zu erwartenden Urteil des Europäischen Gerichtshofs zu leugnen oder zu ignorieren. Faktum ist jedoch, dass dem Gesetzgeber in der Praxis nur mehr wenige Tage bleiben, um jene dringend notwendigen Vorkehrungen treffen zu können, die geeignet sind, die Österreichs Universitäten vor einer unhaltbaren Situation zu bewahren.

Die Unis fordern insbesondere die Parlamentarier auf, jetzt nicht Zeit für das Abkassieren politischen Kleingelds zu vergeuden, sondern rasch eine Lösung im skizzierten Sinn zu beschließen. (DER STANDARD, Printausgabe, 20.6.2005)