Hundsheim - Es ist ein merkwürdig entrückter Ort, den sich der für ausgefallene Spielorte hinreichend bekannte Robert Quitta für die neue Produktion seines Österreichischen Theaters erschlossen hat. Friedlich in der mediterran anmutenden Landschaft südlich von Bad Deutsch-Altenburg gelegen, wirkt das Flugschulzentrum Spitzerberg wie ein Stück aus der Zeit gefallene Welt.

Der flügelbewehrte Germanen-Jüngling, der das Portal bewacht, sorgt dafür, dass die rurale Idylle auch eine leicht schaurige Seite hat: ein zweifellos passendes Ambiente für eine Parabel auf Fortschrittsgläubigkeit und deren Desillusionierung, wie sie Quitta im Hangar 1 in Szene setzt.

Als deren historischen Angelpunkt er den Flug eines italienischen Geschwaders unter der Leitung Gabriele D'Annunzios nimmt, das am 9. August 1918 über dem Stephansplatz Flugblätter wirren Inhalts auf das verdutzte Wien regnen ließ. Am Anfang steht der alte Menschheitstraum: Der sibirische Schamane (Michael Fuith), dessen pelziger Anblick allein Schweißausbrüche verursacht, der gefiederte aztekische Halbgott Huitzilopochtli (Werner Landgesell), der jüdische Prophet Ezechiel (Michael Reiter) und der indische Sadhu (Thomas Seiwald), sie alle delirieren und träumen auf ihre Weise vom Unmöglichen.

Bis sie am Ende ihrer am Boden klebenden Existenz gewahr werden, und auch D'Annunzio (Leopold Dallinger), der seine Schreibfeder gen Himmel streckt, damit sie dort zum Symbol seiner Sehnsucht nach Schwerelosigkeit werde, aus seiner feudalen Liege plumpst. Eine Vorahnung kommender Katastrophen: Die Brüderpaare Lilienthal und Wright lassen die Utopie Realität werden, der als Wegbereiter des Faschismus bekannte D'Annunzio darf verkünden, das Fliegen sei der Weg zu einer freieren Gesellschaft, der Futurismus das Flugzeug als Maschinengott und Vehikel der "gesellschaftshygienischen" Kraft des Krieges verherrlichen.

Am Ende hallen leise "Ikarus!"-Rufe. Es ist ein kompaktes, kurzweiliges Stück Theater, das Robert Quitta mit D'Annunzio über Wien geschaffen hat, ein Stück, dessen strikt chronologische Anlage freilich auch die Assoziationen einengt. Am Ende wird im Rezensenten die Frage virulent, ob das Thema des pervertierten menschlichen Fortschritts zu Anfang des 21. Jahrhunderts, 60 Jahre nach Hiroshima, selbst nicht bereits aus der Zeit gefallen ist. (Andreas Felber/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29. 6. 2005)