Die Online-Poker-Plattform sorgte für den größten Börsengang in London seit fünf Jahren. Angesichts des Geschäftsinhaltes heben manche die Brauen
Redaktion
,
London/Wien – Der Konzernsitz ist Gibraltar – wegen der niedrigen Steuersätze und der eher
nachsichtigen Kontrollbehörden siedeln auf dem Felsen, der sich britische Kronkolonie
nennt, viele Zockerfirmen. So auch
PartyGaming.com
, jene Internet-Pokerplattform, die
mit ihrem Börsengang gleichzeitig die größte wie auch die wahrscheinlich spektakulärste
"Flotation" an der London Stock Exchange seit fünf Jahren sorgte. Dafür garantiert einerseits
das Faktum, dass PartyGaming mit einer Marktkapitalisierung von 5,24 Mrd. Pfund (7,9 Mrd.
Euro) fast doppelt so viel wert ist wie die altehrwürdige Fluglinie British Airways mit 2,85
Mrd. Pfund (Stand Dienstagnachmittag). Eine Analogie zum derzeitigen Höhenflieger in
Wien und (Fast-)Branchenkollegen, Betandwin – der Sportwettenanbieter ist auch mehr wert
als so mancher großer Industriebetrieb.
Andererseits haben die jetzt ein Vermögen scheffelnden Eigentümer der weltgrößten Pokerplattform schillernde Biografien: Da wäre
zunächst Ruth Parasol, studierte Juristin und
Ex-Internet-Porno-Anbieterin, die das Geschäft
ihres Vaters, eines Sextelefonbetreibers und
Massagesalonbesitzers in den Rotlichtgegenden von San Francisco, erfolgreich ins 21. Jahrhundert transferiert hatte, sowie ihr Mann, der
Anwalt Russ DeLeon. Sie haben 375 Mio. Pfund
(564 Mio. Euro) mit dem Börsengang verdient.
Dann wäre da Anurag Dikshit, ein genialer Programmierer, der es schaffte, eine Pokerplattform für das Internet zustande zu bringen, die
bis zu 70.000 Spieler gleichzeitig handeln
kann. Auch er bekam rund 375 Mio. Marketingvorstand Vikrant Bhargava verkaufte Anteile
im Wert von 107 Mio. Pfund (161 Mio. Euro).
Ob die Eigentümer ordentlich gefeiert haben,
wurde nicht bekannt, weil über sie überhaupt
so gut wie nichts bekannt ist, das letzte Foto von
Frau Parasol stammt aus Highschooltagen.
Simple Idee
Die Geschäftsidee von PartyGaming ist an sich simpel: Man veranstaltet Pokerrunden, weltweit über das Netz, und schneidet ein bisschen an den Gewinnen mit. Poker, erfunden auf den Mississippi-Dampfern im 19. Jahrhundert, galt lange Zeit als nicht salonfähig. In den vergangenen Jahren begann man aber im amerikanischen und britischen TV Turniere zu
übertragen, aus den Gamblern wurden Sportstars. Es gibt Schätzungen, dass 1,8 Millionen Menschen weltweit regelmäßig um Geld spielen, unter anderem auf 1800 Internetseiten, schreibt der Economist.
Das US-Justizministerium ist auf PartyGaming nicht besonders gut zu sprechen. Denn 80 bis 90
Prozent der Kunden sind Pokerspieler aus den Staaten. Glücksspiel ist aber in den meisten
Bundesstaaten verboten, auf Onlinespiele nehmen die uralten Gesetze aber klarerweise keinen Bezug. Die PartyGaming-Anwälte sagen einfach: "Es ist legal" – nach der Rechtslage von
Gibraltar. Man hat jedenfalls keine Server in den USA stehen, um einem eventuellen Zugriff
der Behörden gar nicht erst ausgesetzt zu sein – sicherheitshalber. Auf Webportale wie
Yahoo! oder auf Zahlungssysteme wie Paypal (gehört Ebay) wird hingegen schon Druck ausgeübt, keine Geschäfte mit PartyGaming zu machen. Die Aktie hatte am zweiten Handelstag in
London um knapp zwei Prozent verloren, nach einem Prozent Plus am ersten Tag. (Leo Szemeliker, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29.6.2005)
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