Deutsche Numerus-clausus-Opfer hoffen, dass der EuGH gegen Österreich entscheidet. Österreichs Unis befürchten das - und sind vorbereitet.

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Wien – Der 7. Juli ist D-Day für die Unis: An dem Tag entscheidet der Europäische Gerichtshof (EuGH) über den Hochschulzugang. Bisher durfte hier nur studieren, wer ein österreichisches Maturazeugnis oder einen Studienplatz im Heimatland hat. Diese Regelung wird der EuGH wahrscheinlich für gleichheitswidrig erklären. Damit könnten bis 80.000 deutsche Numerus-clausus-Flüchtlinge nach Österreich strömen.

Bildungsministerin Elisabeth Gehrer will prinzipiell den freien Hochschulzugang erhalten. Für sieben Fächer, für die in Deutschland Numerus clausus gilt, sollen aber via Blitzgesetz am 8. Juli Beschränkungen kommen. Betroffen sind Medizin, Zahnmedizin, Biologie, Betriebswirtschaft, Pharmazie, Psychologie, Veterinärmedizin.

Für die Fächer wird, erklärt Sektionschef Sigurd Höllinger im Standard-Gespräch, den Rektoren die Möglichkeit gegeben, die Zahl der Studenten zu begrenzen. Entweder über eine Kapazitätsobergrenze, bei der die Zahl der Erstsemestrigen nicht über dem Durchschnitt der vergangenen drei Jahre liegen darf. Oder über Prüfungen, die vor Studienbeginn oder nach dem ersten Semester stattfinden.

Welche Variante des Aussiebens kommt, ist den Unis überlassen. Vorgaben aus dem Ministerium sind nur: Die Auswahl darf sich nicht nur am Maturazeugnis orientieren, die Regelung gilt für zwei Jahre befristet. Danach wird evaluiert, denn Höllinger ist überzeugt: "Der Massenansturm wird ausbleiben."

Der Meinung ist Helga Fritsch, Vizerektorin der Medizin-Uni Innsbruck, nicht. Sie rechnet mit 1500 zusätzlichen Studierenden (bisher begannen in Innsbruck etwa 572 pro Jahr ihr Medizinstudium). Die Uni will eine Art Aufnahmetest einführen. Details nennt Fritsch noch keine.

An der Medizin-Uni-Wien kommt das First-come-first- serve-Prinzip. Nach dem System werden im ersten Abschnitt die 1560 Übungsplätze vergeben. Die Inskriptionsfrist beginnt am 4. Juli. Die Plätze könnten schon vor dem EuGH- Urteil vergeben sein, dem Tag, an dem Deutsche inskribieren können. Dieses Modell hält Höllinger "für das schlechteste": Man könne nicht eine Benachteiligung durch die nächste ersetzen. Und damit erneut ein EuGH-Urteil riskieren. Ab Herbst 2006 plant die Wiener Med-Uni ein Bewerbungsverfahren, bei dem vor Studienbeginn mit Tests und fachlichen Eignungsprüfungen ausgesiebt wird.

Anders agiert Graz: Ab Herbst gilt nach dem ersten Semester ein Reihungsverfahren aus Semesterprüfung und Multiple-Choice-Test. Nur die besten 300 dürfen weiterstudieren. Denn für Vizerektor Gilbert Reibnegger ist die Zahl der rund 700 Studienanfänger zu hoch – ganz ohne Numerus-clausus-Flüchtlinge. (Ingrid Brodnig, Eva Linsinger/DER STANDARD, Printausgabe, 29.6.2005)