Auch als Buch: Die besten Stadtgeschichten aus dem Stadtgeschichten - Archiv - zum Wiederlesen & Weiterschenken. "Wiener Stadtgeschichten" mit Illustrationen von Andrea Satrapa-Binder, Echomedia Verlag Ges.m.b.H., ISBN 3-901761-29-2, 14,90 Euro.

Es war kurz nachdem wir eingezogen waren. Da hat G. an der Tür geläutet, sich vorgestellt und gleich gefragt, ob ich Hühner möge. Ich habe höflich gegrinst und G. auf einen Drink eingeladen.

Aber mittlerweile weiß, ich was G. meinte. Obwohl mir die Tiere bisher ziemlich egal waren. Aber da kannte ich eben nicht nur G., sondern auch unseren Dachhahn noch nicht.

G. hasst den Hahn. Obwohl er ihn noch nie gesehen hat. Das, sagt G., würde der Hahn aber auch nicht überleben. Der Hahn wohnt am Dach des Nachbarhauses. Das Haus hat ein nettes Flachdach mit drei kleinen Terrassen. Fast schon Gärten. Und in jedem Garten steht eine Holzhütte. Mittlerweile wissen wir, dass eine eine Sauna, die zweite ein Geräteschuppen und die dritte ein Hühnerstall ist. Menschen sehen wird drüben nur sehr selten - aber dafür hören wir den Hahn.

Hahnaufgaben

Dem Hahn, erklärt G. – dessen Fenster gleich neben unseren in Richtung des Nachbardaches zeigen, dem Hahn könne er ja im Grunde keinen Vorwurf. Schließlich hätten Hähne genau zwei Aufgaben: krähen und Hennen besteigen. Doch während zweiteres G. ziemlich kalt lässt, treibt ihn ersteres zur Weißglut. Oder zur Verzweiflung. Denn als braver Hahn kräht das Vieh gegenüber natürlich zum ersten Mal dann, wenn er glaubt, dass die Sonnen aufgehen könnte. Also so gegen vier Uhr früh.

Blöderweise verträgt sich das nicht mit G.s Rhythmus. Der ist nämlich Schichtarbeiter. Und dass der Hahn von gegenüber scheinbar einen Sprachfehler hat, ist ihm egal: Ob das Vieh nun "Kikerichhhhhh" oder "Kikeriki" macht, sagt G., sei ihm egal: Wenn er auf rustikales Klangambiente stehen würde, hätte er sich nämlich nicht eine Wohnung in einem ruhigen Hinterhof gesucht, sondern wäre aufs Land gezogen. Oder dort geblieben.

Ältere Rechte

Und im Gegensatz zu uns, betont G., habe er ja in Bezug auf Hühnerlärm ältere Rechte: Er lebe schon etliche Jahre hier. Der Hühnerkobel sei relativ neu ­ und auch wenn wir die letzten in der Besiedlungsreihe des Hofes seien, räume er, G., uns gerne auch Hass-Rechte gegenüber Federvieh samt Haltern ein, meinte G. gönnerhaft: Er kenne da ein paar wundervolle Rezepte – und gemeinsam könnten wir ja im Hof das böse Tier seiner eigentlichen – dritten – Bestimmung zuführen: Gegessen zu werden.

Als G. mich mit dieser Suada das erste Mal überfiel war ich noch neu. Ich hielt G. für ein bisserl durchgeknallt. Bis ich den Hahn dann selbst krähen hörte. Aber so laut, dachte ich, ist der doch gar nicht. Letzte Nacht war dann Vollmond. Es war spät geworden und ich saß auf dem Fensterbrett. Plötzlich begann es gegenüber zu rascheln. Hühner gackerten. Eines ein wenig hysterisch. Dann begann der Hahn zu krähen – und hörte erst auf, als mein Wecker läutete.

Morgen werde ich einen Grillrost kaufen.