Wien - "Das gibt ein brasilianisiertes Europa", wettert der Präsident der Interessenvertretung "Die Rübenbauern", Hermann Schultes. Die derzeitige europäische Zuckermarktordnung basiere auf sozialen und ökologischen Standards - und diese hätten eben ihren Preis.

Wenn dieser Konsens nun infrage gestellt werde, würde ein Viertel der rund 9600 Betriebe binnen fünf Jahren in Österreich wegbrechen. Für die verbleibenden erwartet er trotz Abfederung via EU-Restrukturierungsfonds massive finanzielle Einbußen.

Besonders ärgert ihn, dass das Reformpaket kein "Swap"-Verbot vorsieht, dass also Importe über Drittstaaten möglich werden. Dadurch, argumentiert er, seien die Länder aus dem Pazifik-Raum und Afrika, mit denen die EU Sonderverträge ausgehandelt habe, auch nicht wettbewerbsfähig. Nutznießer seien Exportstaaten wie Brasilien in denen industrieller Großanbau vorherrsche.

"Übergangsphase wird sehr schwierig"

Nicht ganz so schwarz sieht der Chef des börsennotierten Zuckerverarbeiters Agrana, Johann Marihart. Zwar erwartet auch er, dass die "Übergangsphase sehr schwierig" wird, weil die Produktion deutlich absinken wird.

Doch verweist er auf eine Untersuchung der Kommission, die zehn Länder bzw. Regionen in Europa auflistet, in denen ein Zuckerrübenanbau (voraussichtlich) erhalten bleibt. Marihart: "Das sind Regionen in Gunstlagen, und Österreich gehört dazu."

Mit Erleichterung registriert der Agrana-Chef, dass Zuckerrüben für den so genannten "Non Food"-Bereich aus den Regelungen ausgenommen wurden. Darunter fällt Rübenzucker für die Herstellung von Zitronensäure (Firma Jungbunzlauer) und Antibiotika (Biochemie Kundl) ebenso wie Biosprit-Produktion. Agrana baut derzeit ein Bioethanolwerk, das im Jahr an die 30.000 Tonnen Zuckerrübe zu Ethanol vergärt.

Nicht festlegen will sich Marihart, was die drei heimischen Zuckerfabriken von Agrana betrifft. Insbesondere der Standort Hohenau (NÖ) war früher schon als Kandidat für eine Stilllegung gehandhabt worden, sollte die Zuckermarktreform radikal ausfallen. (Johanna Ruzicka, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 23.06.2005)