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Die internationalen Ölpreise haben sich allein seit Anfang Juni um fast zehn Dollar je Fass erhöht.

Foto: AP/Otero
Wien/Essen – Der Höhenflug der Rohölpreise könnte sich zu einem Konjunkturkiller auswachsen. Die US-Sorte WTI kratzt schon hart an der 60-Dollar-Marke und die für Europa maßgebliche Nordseesorte Brent ist nicht mehr weit davon entfernt, sie notiert derzeit bei rund 57,50 Dollar je Fass (je 159 Liter). Sollten sich die Rohölpreise längere Zeit bei der 60-Dollar-Marke halten, befürchten Ökonomen nachhaltige Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum.

Nach Ansicht der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) müsste dann die Inlandsprognose für heuer um 0,2 Prozentpunkte und für 2006 um 0,4 Prozentpunkte zurückgenommen werden. Auch die Verbraucherpreise würden steigen, sagte OeNB-Direktor Josef Christl am Dienstag. Der harmonisierte Verbraucherpreisindex würde demnach 2006 um zusätzliche 0,3 Prozentpunkte steigen.

Prognosen deutlich zurückgeschraubt

Zuletzt hat die OeNB Anfang Juni die Konjunkturprognose für heuer recht deutlich um 0,3 Prozentpunkte auf 2,0 Prozent reduziert. Die Wachstumsprognose für 2006 hat die OeNB dagegen damals leicht um 0,1 Prozentpunkt auf 2,2 Prozent angehoben.

Verschärft wird der jüngste Ölpreisanstieg in Europa durch die jüngsten Kursverluste des Euro. Dieser zusätzliche Negativeffekt werde aber durch die besseren Exportchancen ausgeglichen, sagte der OeNB-Direktor.

Nach einer am Dienstag in Essen vorgestellten Prognose von sieben führenden europäischen Forschungsinstituten wird die Wirtschaft im Euroraum heuer nur um 1,4 Prozent wachsen. Noch vor einem halben Jahr war man von plus 1,6 Prozent ausgegangen. Die Arbeitslosenquote werde sich leicht um 0,1 auf 8,9 Prozent erhöhen. Für 2006 erwarten die im European Economic Network zusammengeschlossenen Ökonomen eine leichte Wachstumsbelebung auf 1,9 Prozent. Die Arbeitslosenquote soll auf 8,6 Prozent sinken.

Spekulationitis

Die internationalen Ölpreise haben sich allein seit Anfang Juni um fast zehn Dollar je Fass erhöht und erst am Montag einen historischen Höchststand markiert. Experten erwarten, dass die Märkte demnächst zum ersten Mal in der Geschichte die 60-Dollar- Marke testen werden. Gründe dafür sind eine erneute Spekulationswelle von Hedge- Fonds an den Öl- und Erdgas-Terminmärkten, die Angst vor Versorgungsengpässen bei Ölexporteuren und vor allem die Knappheit bei Raffineriekapazitäten. Dazu kommen Terrorängste in Nigeria nach der Entführung mehrerer ausländischer Ölarbeiter sowie ein möglicher Streik der Ölarbeiter in Norwegen.

Die Mineralölfirmen haben auf die angespannte Situation am Dienstag mit Preiserhöhungen um zwei Cent je Liter reagiert. Beim Marktführer OMV kostet der Liter Super an Selbstbedienungstankstellen nun 1,182 Euro, der Höchstpreis bei Diesel beträgt 1,024 Euro – in absoluten Zahlen war Sprit noch nie so teuer wie jetzt. Inflationsbereinigt freilich waren die Spritpreise Anfang der Achtzigerjahre deutlich höher; ein Liter Super etwa kostete damals umgerechnet 1,30 Euro. (Günther Strobl, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22.6.2005)