Da auch die Deutschen nicht mehr bereit sind oder angesichts ihrer Finanzlage nicht mehr bereit sein können, Konflikte durch höhere Zahlungen zu lösen, befindet sich die EU in der wohl schwersten Krise. Auch das Problem, wie mit dem Verfassungsprozess weiterverfahren werden soll, ist auf die lange Bank geschoben worden. Hier geht es um die Frage, wie die EU transparenter gestaltet und den Bürgern mehr Einfluss verschafft werden kann. Da Letzteres Teil des Grundsatzkonfliktes ist, war es konsequent, dieses Problem vorerst aufzuschieben.
Diskurs
EU-Grundsatzstreit
Beim Budget-Streit ging es um weit mehr als nur um Geld - Von Alexandra Föderl-Schmid
Es ging nicht nur um Geld, sondern um weit mehr: Die Frage, wohin die
Gemeinschaft aus 25 Staaten steuert und wie sie sich weiterentwickeln soll, hat
zum Scheitern des EU-Gipfels geführt. Anders als bei vorherigen Krisen, wo es
vor allem um Geld- oder Machtverteilung ging, brach diesmal ein
Grundsatzkonflikt auf, für den keine rasche Lösung in Sicht ist. Die einen,
angeführt vom Briten Tony Blair, wollen eine EU, die nur ein großer Binnenmarkt
ist. Die anderen - bei Weitem die meisten alten Mitglieder und auch die neuen -
wollen eine stärker integrierte Union, die auch den Anspruch erheben kann, eine
stärkere Rolle auf der politischen Weltbühne zu spielen.
Es könnte auch der Zeitplan nicht schlechter sein: Denn mit 1. Juli übernimmt
Großbritannien die EU-Präsidentschaft. Da sich der Konflikt in der Endphase des
Gipfels auf "Einer gegen alle" reduziert hat und deshalb London für die mit dem
Vorsitz verbundene ausgleichende Rolle ausfällt, heißt es für alle: einfach
durchtauchen. Die Krise wird dadurch nicht gelöst, sondern wird weiter schwelen
und sich damit auch verschärfen. Die Belastung, die auf Österreichs EU-
Präsidentschaft ab 1. Jänner 2006 zukommt, wird dadurch noch größer. Wien
wird sich als ausgleichender Vermittler betätigen müssen. Ob es angesichts der
labilen Lage der Koalition dazu fähig ist, muss sich erst zeigen. Für Europas
Zukunft ist das mitentscheidend. (DER STANDARD, Printausgabe, 20.6.2005)