Andreas Dorau: "Ich bin der eine von uns beiden" (Mute/EMI 2005)

Coverfoto: Mute
Dies ist kein Liebeslied
Denn das wäre nicht mein Fachgebiet
Hier geht's um andre Dinge
Hör einfach was ich singe ...

Von Blüten und Blaumeisen hat Andreas Dorau schon gesungen, von Telefonen und Tropfen, von Frauenfüßen und Lokomotivführern, und in der gemeinsam mit Sven Regener geschriebenen Single denkt er an, was noch Stoff für viele, viele weitere Dorau-Platten liefern könnte: Zäune. Zähne. Haare. Katzen. Witwen. Gänge. Undsoweiterundsofort. Selbst wenn die Pausen zwischen seinen Alben kürzer ausfielen, wäre das Stoff genug für weitere Jahrzehnte.

Anspieltipp 1: "Kein Liebeslied"

Ein Vierteljahrhundert steht der Hamburger immerhin schon auf der Pop-Bühne, seit er mit "Fred vom Jupiter" einen der unwiderstehlichsten Ohrwürmer der Neuen Deutschen Welle landete. Später kamen unter anderem das mit eingesampelten Politiker-Statements gescheckerte "Demokratie" (langweilig wird sie nie) und zwei ziemlich erfolgreiche Alben in den 90ern: "Neu!" (mit "Stoned Faces Don't Lie" und "Das Telefon sagt Du") 1994 und "70 Minuten Musik ungeklärter Herkunft" ("Girls in Love", "So ist das nun mal") 1997.

... über sieben Jahre sind seitdem vergangen, und davon merkt man nichts. "Ich bin der eine von uns beiden" schließt so nahtlos an seine beiden Vorgänger an, als wären sie von Anfang an als Trilogie geplant gewesen.

Anspieltipp 2: "Im September"

Immer noch lautet das dorausche Rezept: Man nehme einen nicht allzu schnellen Grundbeat (immerhin kommt der Mann noch aus der Zeit, als der Tanzflur nicht mit bodygestylten EkstatInnen gefüllt war, sondern Rainer und Monika sich noch beherzt im Grundschritt wiegten). Man füge hier ein analoges Maunzen und da ein kleines Chachacha! ein, lege bei Bedarf Disco-Streichereinheiten drüber und wiege den eigenen ... ähm ... nicht so ganz stimmgewaltigen Gesang durch Schubidu-Choreinlagen im (gerne auch geklauten) Refrain auf. Und fertig ist eine Art Disco, bei der jedeR mitmachen kann.

Wie gehabt sind es in erster Linie Frauenstimmen, die sich entweder hingebungsvoll durch den Kalender schmachten - September - Oktober - November - Dezember - oder den HörerInnen mit bezaubernder Herzlosigkeit Fiesheiten wie Du bist nicht wie die anderen, hat man dir das nie gesagt oder Wir sind keine Freunde ins Ohr säuseln. - Und mittendrin im Refrain-Recycling überraschenderweise auch ein Österreicher: Georg Danzer in/mit "Heut kommt er".

Anspieltipp 3: "Wir sind keine Freunde"

Dorau ist eindeutig ein Mensch der Konstanz - selbst mit 40 gibt er in sich in Interviews noch immer wie ein schüchterner Schuljunge, der lächelnd zur Kenntnis nimmt, dass die Welt ringsum andere Schwerpunkte zu setzen scheint als er - ohne sich aber weiter darum zu kümmern. Und immer noch lässt er einen mit dem Zweifel allein, wieviel von der zur Schau gestellten Naivität echt ist oder nicht. Und wann seine "Kinder erzählen"-artigen Texte tiefsinnig sind oder einfach nur albern.

Das schönste am ewigen Rätsel Andreas Dorau ist aber, dass sein Oeuvre allen sich ernst nehmenden Rockern wie die Musik gewordene Hölle erscheinen muss. Und selbst wenn Soundverwandtes am ehesten bei Titelliedern von japanischen Animes oder 80er-Jahre-Schlagern zu finden sein mag: Die genial-dilettantische "Probieren wir's doch einfach aus"-Attitüde entspricht mehr dem Geist von Punk als jeder von MTV-Rebellen durchstudierte Gitarrenakkord.

Die Welt braucht eben, was sie noch nicht hat; und wenn's der Reim Ufer - Paarhufer ist. (Josefson)