Es war wieder eine böse Woche für den Irak, und erstmals wird die Diskussion, ob die Situation für die Amerikaner oder von den Amerikanern noch zu retten ist, auch in Kreisen des politischen US-Mainstream geführt und nicht nur von "linken Defätisten". Dass sich republikanische mit demokratischen Abgeordneten zusammentun, um zumindest einen längerfristigen Zeitplan für den Abzug zu fordern, muss für die Kriegsherren in Washington ein Alarmzeichen sein. Ihr Eingeständnis der Lage geht bisher aber nicht weiter als die fast schon kurios anmutende Aussage von Pentagon-Chef Donald Rumsfeld, dass der Irak heute nicht sicherer sei als vor dem Krieg.

Was besonders beunruhigend ist für Washington: Nicht nur dass der Aufstand im Irak nicht nachlässt - auch die Pläne, eine irakische Armee und Sicherheitskräfte aufzustellen, denen man in absehbarer Zeit die Verantwortung übergeben könnte, drohen zu scheitern. Seit einiger Zeit gibt es auch Hinweise darauf, dass die heute schiitisch dominierten Sicherheitsdienste ein Eigenleben entwickeln, das sich auch der Kontrolle der irakischen Regierung entzieht - eine gefährliche Sache.

Manche Beobachter sind der Meinung, dass die USA die Abhaltung der irakischen Wahlen im Jänner auch deshalb forcierten, weil sie beginnen wollten, ihren Ausstieg vorzubereiten. Es ist tatsächlich nicht ausgeschlossen, dass sie bei wachsendem innenpolitischem Druck in mittelbarer Zukunft eine Phase der relativen Stabilisierung dazu nützen, um eine "Hinter mir die Sintflut"-Entscheidung zu treffen. Dieser Sintflut entkäme jedoch niemand: Der Irak würde zum Proliferationspunkt siegreicher Djihadisten werden wie Afghanistan nach dem Abzug der Sowjets. Was hier an dieser Stelle seit mehr als zwei Jahren gesagt wird, gilt deshalb heute mehr denn je: Wie kritisch man dem Irakkrieg der USA auch gegenübersteht, man muss doch inständig hoffen, dass sie dort doch noch Erfolg haben. (DER STANDARD, Printausgabe, 18./19.6.2005)