Zum Fürchten gut: Die Gespenster-Kollektion von Bernhard Wilhelm ist exklusiv über den E-Shop www.yoox.com zu beziehen.

Foto: Yoox
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Designer-Outlets und Mode-Discounter, in denen abgelaufene Kollektionen zu Niedrigpreisen verschleudert werden, sind in der Regel Orte, an denen man sich nicht so gern aufhält. Überfüllte Kleiderstangen in provisorisch ausgebauten Lagerhallen, Sammelumkleiden und Grabbeltische: Was billig verkauft wird, kommt billig daher. Das Fashion-Victim mag Opferbereitschaft mitbringen, auch lässt sich das hier einmal Erworbene durchaus lieb gewinnen - die Spur einer unrühmlichen Herkunftsgeschichte bleibt jedoch irgendwie an ihm haften.

Klingt es da nicht verlockend, wenn ein Händler verspricht, dass bei ihm die Fashion-Schnäppchen frei von Schmach und hübsch verpackt wie vom Himmel fallen? Auch bei YOOX.com mag es Lagerhallen geben, Schnäppchenjäger und Geldtransfers, doch die Herkunft der im Preis erheblich reduzierten Designerware, die im Internet bestellt und im Versand geliefert wird, verschleiert sich auf angenehme Weise im Abstrakten. Darüber hinaus ist das im Jahr 2000 vom Jungunternehmer Federico Marchetti gegründete, auf Restposten der letzten Saison und einen ständig wechselnden Fundus an Vintage- Artikeln spezialisierte Internetportal mit Hauptsitz in Mailand wie das europäische Gegenstück zu dem in Fernost und den USA grassierenden Luxuslabel-Fetischismus konzipiert: Propagiert wird Stil statt Status, eher Persönlichkeit denn Prestige, nicht bloß Logo, sondern Langlebigkeit. Dem Selbstverständnis nach ist YOOX die Plattform einer Fashionintelligenz, die trotz knapper finanzieller Ressourcen nicht auf Qualität verzichten will. Um dieses Image zu etablieren, ist der E-Shop wie ein Konzeptladen aufgebaut und wartet mit Namen auf, die für patente Auswahl stehen.

Holly Brubach, ehemals Moderedakteurin...

... der New York Times, "kuratiert" das Vintage-Angebot; neben Polly Mellen Harper's Bazaar, Vogue, Allure...) ist der Punk-Veteran Malcolm McLaren assoziiert. Vor allem aber wurden Modedesigner höchstselbst verpflichtet, um zu signalisieren: YOOX ist auf ihrer Seite. YOOX ist kein Discounter, der die Reste an die Meute verfüttert und so den Marken den Magen verdirbt. YOOX regelt vielmehr den Austausch zwischen Gleichgesinnten.

Wenn der deutsche Antwerpen-Absolvent Bernhard Willhelm, der Brasilianer Alexandre Herchcovitch, der Brite Hamish Morrow, junge Designer also, die sich entschieden zum Experiment bekennen, exklusiv für YOOX entwerfen: Wer wollte da noch an den in Nachkriegsjahren geborenen Katalogversandhandel denken, mit dem man doch - Claudia Schiffer für Quelle, Laetitia Casta für La Redoute hin und her - vor allem noch immer beschürzte Hausfrauen in aufgeräumten Einbauküchen assoziiert?

Im besten Falle profitieren bei YOOX beide Seiten von den "Wild Bunch"-Kooperationen: die Designer, die sich einer aufgeschlossenen, globalen Community gewiss sein können, und die Community, die sich bei ihren Transaktionen im WorldWideWeb in guter Gesellschaft wähnt. In seiner nur über www.yoox.com erhältlichen "Gespenster"-Kollektion spielt Bernhard Willhelm mit dieser virtuellen Gemeinde, indem er ihr wie Geistern Gewänder verpasst, auf dass sie in der wirklichen Welt Gestalt annehmen. Die Edition ist limitiert, die Wahrscheinlichkeit, bei derzeit 28 von YOOX belieferten Ländern (mit wachsender Nachfrage aus Japan und den USA) einem anderen Wilhelm-Geist über den Weg zu laufen, gering gehalten.

Die durch "handverlesene Auswahl"...

... bediente Individualität mag vor allem ein Geschäftsstrategiegespinst sein, die Rede von der Persönlichkeit, die sich im Vintage-Chic ausdrückt, ein Trend, der vorbeigeht. Auch dass sich, was als "Geheimtipp" die Runde machte, längst eines massenhaften Zuspruchs erfreut (täglich sollen über tausend Pakete das Lager verlassen, Tendenz steigend) - all das fällt in die schon erwähnte Sphäre, in der sich die Herkunft der Dinge auf angenehme Art im Abstrakten verschleiert. Was zählt, ist schließlich das gute Produkt, das wie vom Himmel kommt und bleibt. (Mirja Rosenau/Der Standard/rondo/17/06/2005)