Am Mittwoch verurteilte das Wiener Landesgericht "News" nicht rechtskräftig wegen der Abbildung der Schmusefotos von Finanzminister Karl-Heinz Grasser zu einer deftigen Entschädigung. Beide Seiten gehen nun davon aus, dass die Causa letztendlich beim Gerichtshof für Europäische Menschenrechte (EGMR) in Straßburg landen könnte - wo im Vorjahr das so genannte "Caroline-Urteil" für Aufsehen in der deutschsprachigen Medienbranche sorgte.

"Caroline-Urteil"

Prinzessin Caroline von Monaco hatte beim EGMR gegen Deutschland geklagt, da die dortige Rechtsprechung zu Paparazzi-Fotos ihrer Ansicht nach ihr Grundrecht auf Schutz des Privatlebens von der Presse nicht ausreichend schütze, und Recht bekommen. Basis war Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention, der das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens schützt.

"Meilenstein"

Ein Urteil, das auch in der Verhandlung der Causa Schmusefotos in aller Munde war. "Dieser Fall ist meines Erachtens sogar noch viel krasser als der berühmte Fall Caroline", sagte Grassers Anwalt Michael Rami im Gespräch mit der APA. Denn bei der Monegassin sei es "nicht um Fotos von intimen Begegnungen", sondern von "Alltagssituationen", etwa beim Einkaufen, gegangen. Schon jetzt glaubt er, dass das Grasser-Urteil "die Grenzen ziemlich genau aufzeigt". Er erwarte, dass das erstinstanzliche Urteil vom Oberlandesgericht (OLG) bestätigt und ein "Meilenstein" werden wird, geht aber mit ziemlicher Sicherheit davon aus, dass es schließlich beim EGMR landen wird.

Darin ist er sich mit seinem Gegenüber Gerald Ganzger, einig: "Egal, wie das OLG entscheidet, eine Partei wird unzufrieden sein", sagt der Rechtsvertreter von "News". Ansonsten gibt es naturgemäß kaum Übereinstimmung in der Sache: Ganzger nämlich verweist auf die Argumentation der Straßburger Richter, wonach Prinzessin Caroline kein öffentliches Amt bekleide - auf den Finanzminister treffe dies wohl nicht zu. Darüber hinaus habe Caroline "auch nicht die Notwendigkeit, die Medien zu suchen. Sie hat keinen Nutzen davon". Anders verhalte es sich bei Grasser, der zuvor auch Interviews zu privaten Fragen gegeben habe. Rami wandte dazu ein: "Dass er sein Privatleben aktiv vermarktet hätte, kann ich in dieser Dimension nicht bestätigen."

"Badehosenfotos"

Nach Ganzgers Ansicht war die Verhandlung jedenfalls "überlagert" durch die in "Bild" - später - publizierten "Badehosenfotos", obwohl diese gar nicht Gegenstand des Verfahrens waren. Rami allerdings prüft eigenen Aussagen zufolge bereits die "Bild"-Fotostrecken.

Der Medienrechtsexperte Michael Pilz, der nicht mit der Causa befasst ist, sieht mit dem Urteil die zentrale Frage des Verfahrens "vertretbar" beantwortet, nämlich: "Ist ein Finanzminister, der vielfach mit seinem Privatleben an die Öffentlichkeit trat, mit einem neuen Aspekt seines Privatlebens trotzdem Gegenstand des öffentlichen Interesses und der Berichterstattung?" Für Pilz stellt sich darüber hinaus die Frage, ob "diese Bildberichterstattung wirklich notwendig war". Er kann sich indes durchaus vorstellen, dass das erstinstanzliche Urteil im weiteren Verlauf halten wird, wenn auch die Entschädigung "ordentlich geschmalzen" gewesen sei. (APA)