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Mateschitz hat "gemerkt, dass Fußball zu einem gewissen Grad salonfähig geworden ist. Große Fußallstars sind mit Popstars vergleichbar."

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Fritz Neumann und Leo Szemeliker sprachen mit Dietrich Mateschitz über wirtschaftliche und private Beweggründe, Fußball und Formel 1, Stronach und Spielberg.

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STANDARD: Sie haben einmal für sich selbst definiert, dass Sie drei Tage in der Woche arbeiten. Wenn wir uns vorstellen, was Sie derzeit um die Ohren haben - das kann sich nicht ausgehen, oder?
Mateschitz: Fürs letzte Jahr stimmen die drei Tage nicht. Da war's ein Fulltimejob, aber natürlich soll es wieder weniger werden. Es ist eine Anhäufung von Projekten und Aktivitäten, die besonderen Einsatz verlangen, nicht nur von mir, sondern von allen Mitarbeitern. Wir müssen aufpassen, dass die Qualität erhalten bleibt. Jetzt ist eine kleine Konsolidierungsphase angesagt. Wir dürfen momentan keine neuen großen Projekte mehr angehen, weil wir dafür nicht die Manpower haben.

STANDARD: So gesehen ist das gescheiterte Projekt in Spielberg für Sie kein Thema mehr?
Mateschitz: So ist es. Wenn es Überlegungen gibt betreffend Spielberg, kommen sie vonseiten der Politik. Da haben wir im Moment eine passive Rolle. Solange die Rechtslage so einwandfrei ist, ist es für uns kein Thema. Dieses Projekt war so komponiert, dass es nicht mehr lebensfähig ist, wenn man auch nur Kleinigkeiten herauslässt.

STANDARD: Ist's nur dumm gelaufen, oder trägt jemand Schuld am Spielberg-Desaster?
Mateschitz: Es gab ganz einfach Einsprüche, die in erster Instanz abgelehnt, aber in zweiter Instanz vom Umweltsenat bestätigt wurden. Der ist politisch nicht weisungsgebunden, was gut ist - und damit ist es abgehakt. Es ist sicher nicht Schuld der Frau Klasnic oder der steirischen Landesregierung, dass dieses Projekt nicht zustande kam. Ich stehe dem Ganzen wertfrei und emotionslos gegenüber. Wir wollten viel Verantwortung übernehmen, wir hätten viel Geld riskiert. Ich bin nicht froh darüber, dass ich die Verantwortung los bin, bin aber auch nicht unglücklich darüber. Auch ohne dieses Projekt wird uns nicht langweilig.

STANDARD: Ihre Engagements in der Formel 1, im Fußball, im Eishockey bedeuten eine deutliche Abkehr von der ursprünglichen Werbelinie mit Konzentration auf den Extremsport. Worum geht es Ihnen?
Mateschitz: Es zählt auch zu Managementtugenden zu erkennen, dass Dinge in Bewegung sind. Eine Entscheidung, die für die rückwirkenden 17 Jahre richtig war, muss nicht zwangsläufig für die nächsten 17 Jahre richtig sein. Red Bull ist den Kinderschuhen entwachsen und, bis auf wenige Märkte, weltweit vertreten. Unsere Verwender von vor 17 Jahren sind inzwischen Mitte dreißig und im Beruf, sie sind nach wie vor Verwender. Konsumgelegenheiten haben sich von der Disco ins Büro verlagert, vom Snowboarden zum gemischten Tennisdoppel.

STANDARD: Den Einstieg in den Fußball könnte man fast als Tabu-Bruch bezeichnen ...
Mateschitz: Ich selbst habe immer gesagt, wir gehen eher auf Individualsportarten. Aber ich habe meine Vorurteile gegenüber Fußball abgebaut. Man vergisst ja ganz bei uns, dass der Fußball, mit Ausnahme der USA, global die wichtigste Sportart ist. Und ich habe bemerkt, dass er bis zu einem gewissen Grad salonfähig geworden ist. Die Fußballer haben sich verändert, das sind charismatische Typen, die großen Stars, sie sind mit Popstars vergleichbar. Dazu kommt die Opportunity des Einstiegszeitpunkts. Wir haben 2006 die WM in Deutschland, 2008 die Heim-EM.

STANDARD: Wie passt die Red-Bull-Strategie zum Fußball? Welche Ziele verfolgen Sie?
Mateschitz: Wir steigen wieder nicht als Sponsor von außen mit einem Koffer Geld ein, sondern - das ist unsere Sponsorphilosophie seit Anbeginn - wir integrieren den Verein, wir übernehmen die Verantwortung für die sportliche Leistung. Wir wollen bereits ab der nächsten Saison in Österreich bei den besten zwei bis drei Klubs mitspielen und Red Bull Salzburg in den nächsten drei bis fünf Jahren als europäischen Spitzenklub etablieren. Dazu haben wir mit Franz Beckenbauer einen weltweit einzigartigen Experten auf unserer Seite. Er kennt alle. Seine fachliche Meinung ist unbezahlbar.

STANDARD: Gibt es Sportarten, die so wenig zu Red Bull passen, dass Sie eine Partnerschaft ausschließen würden?
Mateschitz: Nein. Wir haben auch oft schon von einem Großklub gesprochen, nicht groß im texanischen Sinne, sondern universell. Wo wir auch eine gewisse gesellschaftspolitische Verantwortung für die Region übernehmen. Wo wir mit sehr viel Ambition in Salzburg eine sportliche Dimension und Strukturen schaffen und sehr früh anfangen, Jugendliche für den Sport zu interessieren. Natürlich hat es auch für uns ein Return of Investment, wenn die Marke Red Bull aktiv ist.

STANDARD: Kann man etwas aus der Performance lernen, die Frank Stronach bei der Wiener Austria abliefert?
Mateschitz: Ich maße mir nicht an, Dinge zu beurteilen, geschweige denn zu verurteilen, über die ich kein Insiderwissen habe. Was mir auffällt, ist natürlich eine gewisse Fluktuation, die nicht immer gut sein muss. Erfreulich ist die Reaktion von Herrn Stronach auf unser Engagement im Fußball. Er hat das sehr begrüßt und gesagt, je mehr Leute sich um Fußball bemühen, umso besser ist es.

STANDARD: Ist es leichter, den Erfolg von Rapid zu beurteilen?
Mateschitz: Es ist ja nicht nur Rapid. Letztes Jahr war es der GAK, es war Pasching, es gibt immer wieder diese Highlights. Ich glaube, dass die entsprechende Motivation, der Spirit, eine große Rolle spielt. Wahrscheinlich sind siebzig Prozent rational und dreißig Prozent irrational, die einen Sieg ausmachen. In der Champions League waren schon einige österreichische Vereine. Aber das Erreichte langfristig, über Jahre, ein Jahrzehnt zu halten, ist das Schwierige.

STANDARD: Im Eishockey haben Sie zunächst schlechte Erfahrungen gemacht ...
Mateschitz: Das letzte Jahr war alles andere als erfreulich. Wir haben Ursachenforschung betrieben, da kommt man drauf, was wir seit 17 Jahren immer wieder sagen. Jedes Produkt, jeder Klub, jedes Unternehmen, jede Marke ist nur so gut wie die Leute, die sie machen. Jetzt haben wir mit Hardy Nilsson einen Mann, der etwas darstellt im Eishockey. Gelingt uns wieder nichts, wäre es klüger, wieder aufzuhören und zu sagen, Eishockey können wir nicht. Es muss uns nicht alles gelingen. Im Fußball bekommen Beckenbauer und Jara unser Vertrauen, das Budget und die Zeit, sich zu beweisen. Wobei das Budget immer eine relative Sinnhaftigkeit haben muss. Wir sind ja keine klassischen Ölmagnaten. Wir machen das aus marketingpolitischen und nicht persönlichen Beweggründen.

STANDARD: Wie viele Sorgen bereitet Ihnen der Widerstand eingefleischter Salzburg-Fans gegen die Übernahme?
Mateschitz: Ich möchte jetzt nicht traditionelle Werte infrage stellen, aber für mich ist gestern die Vergangenheit, morgen die Zukunft und heute bestenfalls die Gegenwart. Für mich ist jetzt, mit Red Bull Salzburg, die Stunde null einer neuen Ära. Was hat denn Coca-Cola von seiner Geschichte? Wenn es um Sport und Leistung geht, die ich morgen erbringen muss, denke ich an morgen. Und der rote Bulle kann heute nicht violett sein, sonst dürfte es nicht Red Bull heißen. Fragen Sie über Golling hinaus zehn Leute, was violett und Austria im Fußball heißt - neun werden Ihnen mit der Wiener Austria kommen. Wir reden hier über Kindergartendinge. Ich glaube, wenn wir versuchen, guten Sport zu machen, dass selbst die eingefleischten Violett-Fans umdenken werden.

STANDARD: Wann kann sich der erste Formel-1-Sieg einstellen?
Mateschitz: Fürs nächste Jahr haben wir den Motor, nächstes Jahr wird unser eigener Windtunnel in seiner letzten Ausbaustufe sein. Hoffentlich ändert sich die Formel 1 so, wie wir hoffen, hoffentlich wird der technische Irrsinn reduziert. Dann werden wir 2007/08 das maximal Machbare erreichen, dann müssten wir imstande sein, um den ersten Sieg mitzufahren. Viel länger kann man eh nicht planen.

STANDARD: Bei wie vielen Salzburgspielen und Formel-1-Rennen wird man Sie antreffen?
Mateschitz: Wahrscheinlich werde ich drei bis vier Rennen im Jahr besuchen und gelegentlich zu einem Fußballspiel gehen. Da bin ich eher Zuschauer, wichtig mache ich mich auch nicht. Es ist für mich produktiver, wenn ich auf einen Berg oder Segeln gehe. Oder über Konzepte nachdenke oder Freunde treffe.

STANDARD: Wo, glauben Sie, steht Red Bull in zehn Jahren?
Mateschitz: Das Kerngeschäft müsste von den heuer erwarteten 2,4 bis 2,5 Milliarden Dosen in zehn Jahren auf sechs bis acht Milliarden Dosen gewachsen sein. Dann kommen wir in diese natürliche Sättigungsphase mit normalen Zuwachsraten, wie sie Beverages oder Softdrinks haben.

STANDARD: Wo sehen Sie sich selbst in zehn Jahren? Werden Sie auf der Brücke stehen? Wollen Sie so lange arbeiten?
Mateschitz: Ich werde dann hoffentlich noch Ski fahren, meinen Flugschein haben und meine Zeit am Wolfgangsee und im Steinernen Meer verbringen. Man muss schon rechtzeitig vorsorgen, dass ein Unternehmen ohne einen weitergeführt wird.

STANDARD: Was treibt Sie an, noch zu arbeiten? Sie haben einmal vom Wrumm-Wrumm-Syndrom geredet. Wie lässt es sich beschreiben?
Mateschitz: Es ist nicht das Erreichen des Ziels die Antriebsfeder, sondern der spannende Weg dorthin. Die Formel 1, den Fußballklub oder die Marke irgendwo einzuführen, das Arbeiten, Abwägen, Probieren, Entscheiden. Das ist das wirklich Faszinierende und Lustige, Befriedigende. Wobei auch Schnapsideen dazugehören oder Dinge, die einem etwas zu groß sind. Man wird übermütig, dann holt man sich selbst wieder zurück auf die Erde. Die Luft wird ja immer dünner oben. Das Formel-1-Wochenende in Monte Carlo mit der Star-Wars-Party, das zum Beispiel hat eine mediale Dimension, die ist nur schwer zu überbieten. Das war schon fast zu viel. Die anderen Teams sind ja gut, wir wollen ja keinem die Show stehlen.

STANDARD: Welche Rolle spielt der Sport in Ihrem Privatleben? Wie viel und welchen Sport betreiben Sie? Sie haben vor vier Jahren bei einem Motorradsturz einen Armbruch erlitten. Riskieren Sie gerne?
Mateschitz: Ab und zu passiert etwas, auch wenn Sie nichts riskieren. Alles, was ich gerne tue, ist mit einer körperlichen Fitness verbunden. Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass man versucht, wenn man älter wird, sich diese körperliche Fitness einigermaßen zu erhalten. Ich hab einen "personal trainer", ich bin jeden Tag um sieben Uhr früh beim Training, zweimal in der Woche am Abend, ich mache das, was alle gerne machen: Langlaufen, Ski fahren, Segeln, Wandern, Rad fahren. Und natürlich fahre ich gerne Motorrad.

STANDARD: Ihr Privatleben ist Ihnen sehr wichtig, Sie haben noch nie ein TV-Interview gegeben, wird's dabei bleiben?
Mateschitz: Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass ich es dabei belassen werde.

STANDARD: Und doch sind Sie zuletzt recht oft öffentlich in Erscheinung getreten, gefällt Ihnen oder stört Sie das?
Mateschitz: Ich werde sicher wieder kürzer treten. Aber wenn Spiegel, Süddeutsche oder Stern anfragen, können Sie nicht Nein sagen.

STANDARD: Oder zum Beispiel der STANDARD ... Mateschitz: Ja, genau, natürlich auch der STANDARD. (DER STANDARD PRINTAUSGABE 30.5. 2005)