In der siegreichen Wahlnacht 2002 stießen sie miteinander an, der deutsche Bundeskanzler und "sein" Außenminister. Gerhard Schröder hatte mit seiner strikten Anti-Irakkrieg-Politik gerade noch einmal die Mehrheit geschafft, aber nur mithilfe der Grünen und deren Galionsfigur Joschka Fischer, dem bis vor Kurzem populärsten deutschen Politiker.

Damit wurde übertüncht, dass die Grünen niemals Schröders erste Wahl als Koalitionspartner waren. Mangels einer Alternative musste er sie 1998 nehmen, um Kanzler werden zu können. Jetzt, nach dem Wahldebakel von Nordrhein-Westfalen und vor der sicher scheinenden Niederlage bei den geplanten Bundestagswahlen, ist der Lack endgültig ab. Es hagelt wechselseitige Schuldzuweisungen, dem Vernehmen nach auch zwischen Schröder und Fischer persönlich.

Da befindet der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck auf einmal, den Grünen fehle "bisweilen die Verlässlichkeit", und sie hätten sich gegenüber der SPD oft "reichlich unfein" verhalten. Und verschweigt dabei zweierlei: dass die Grünen sich über weite Strecken bis zur Selbstverleugnung dem Seniorpartner unterwarfen - andererseits aber in zentralen Bereichen, etwa der Steuer- und der Gesundheitspolitik, Reformmotor gegen eine vielfach erstarrte Sozialdemokratie waren.

SPD-Chef Franz Münteferings Griff in die alte Kapitalismuskiste offenbart ja vor allem eine tiefe Orientierungslosigkeit. Der Europa-Grüne Daniel Cohn-Bendit trifft wohl den Punkt, wenn er meint, die SPD sei inhaltlich und emotional auf den Stand der 70er-Jahre zurückgefallen. Mit seiner Flucht nach vorn in Neuwahlen will Schröder denn auch die Partei mit neu bestimmtem Kurs hinter sich vereinen. Dabei können freilich Schuldzuweisungen an den ungeliebten Koalitionspartner nicht die inhaltliche Führungs- und Überzeugungsarbeit ersetzen, die dem Kanzler bisher mehr als lästig war. (DER STANDARD, Printausgabe, 30.5.2005)