Brüssel/Wien - Die österreichischen Vertreter im EU-Konvent, der die Verfassung erarbeitet hat, gingen am Freitag von einem Nein bei der Abstimmung in Frankreich aus. Im Gespräch mit dem STANDARD übten sie sich parteiübergreifend in Sarkasmus. "Bei der EU-Erweiterung ist der Autopilot eingeschaltet, bei der Verfassung sind die Bruchpiloten unterwegs", meinte die EU-Abgeordnete Maria Berger (SPÖ). Sie geht davon aus, dass sich an dem bereits beschlossenen Beitritt Rumäniens und Bulgariens sowie dem Beginn der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei nichts ändert. Berger befürchtet aber "einen Dominoeffekt" durch ein negatives Votum in Frankreich.

Der ÖVP-Vertreter im Konvent, Hannes Farnleitner, sieht "kein Katastrophenszenario" bei einem Scheitern des Referendums. "Das könnte ein Lehrstück in der Geschichte Europas werden." Farnleitner kritisiert seinen konservativen Kollegen, Präsident Jacques Chirac. Ein negatives Votum in Frankreich zeige, dass "Chirac an die Wand gelaufen ist, aber nicht Europa". Die Befürworter seien "spät wach geworden" und "dürfen sich nun nicht wundern". Teile der Verfassung könnten in bestehende Verträge übernommen werden.

"Sisyphos, Europas Schutzpatron"

Der grüne EU-Abgeordnete Johannes Voggenhuber warb am Freitag noch in Paris für ein Ja, setzt aber seine Hoffnung schon auf "Sisyphos, den Schutzpatron Europas". Die Franzosen würden den Stein nach unten befördern, mit gemeinsamer Anstrengung müsse er wieder nach oben gebracht werden. Er sieht auch eine Chance im Scheitern: "Man muss alles auf den Kopf stellen. Dann könnten Verbesserungen herauskommen." Er befürchte aber, dass ein negatives Votum Nationalisten in allen Ländern missbrauchen könnten: "Der Nationalismus könnte fröhliche Urständ feiern." (Alexandra Föderl-Schmid/DER STANDARD, Printausgabe, 28./29.5.2005)