Teheran/Wien - Nach der Entscheidung des Wächterrats über die Kandidaten für die Präsidentschaftswahl im Iran haben die Reformer zu einem Boykott des Urnengangs aufgerufen. Es handle sich um einen "Staatsstreich", sagte ein führendes Mitglied der Islamisch-Iranischen Beteiligungsfront (IIPF), Mustafa Tajsadeh, am Montag in Teheran. Es werde kein Präsident gewählt, sondern quasi eingesetzt.

"Das Vorgehen ist unfair, unvernünftig und illegal", sagte auch der Kandidat der größten Reformpartei des Iran, Ex-Hochschulminister Mustafa Moin. Die IIPF wollte am Donnerstag in Teheran über das weitere Vorgehen entscheiden. Das iranische Innenministerium betonte, die Wahlen würden trotz des Protests der Reformer am 17. Juni abgehalten, da das Gesetz dies vorschreibe.

Sechs Kandidaten

Der Wächterrat hatte am späten Sonntagabend die Zulassung von sechs Kandidaten für die Präsidentschaftswahl bekannt gegeben. Registrieren lassen hatten sich insgesamt mehr als tausend Menschen. Die Wahl beschränkt sich nun auf den derzeit aussichtsreichsten Kandidaten, den früheren Staatschef Hashemi Rafsandjani, sowie vier ultrakonservative Kandidaten und den als gemäßigten Reformer geltenden früheren Parlamentsvorsitzenden Mehdi Karroubi.

Rafsandjani gilt als pragmatischer und wandlungsfähiger Politiker, der sich zwischen dem Klerus um Ayatollah Ali Khamenei und dem Lager der Reformer bewegt. Karroubi gehörte einst zu den Konservativen, rechnete sich aber später den Reformern zu. Er wird vom reformorientierten Lager jedoch nicht anerkannt. Die anderen Kandidaten sind der frühere Polizeichef Mohammed Bagher Kalibaf, der ehemalige Intendant des iranischen Rundfunks, Ali Larijani, der frühere Chef der Revolutionären Garden (Pasdaran), Mohzen Rezai, und der Teheraner Bürgermeister Mahmoud Ahmadi Nejad. Der 1997 gewählte reformorientierte Präsident Mohammed Khatami darf nach zwei Amtsperioden nicht mehr antreten.

Der Sicherheitssprecher der österreichischen Grünen, Peter Pilz, hat unterdessen am Montag Rafsandjani vorgeworfen, 1988 den direkten Befehl für die 1989 durchgeführte Ermordung des damaligen Generalsekretärs der iranischen Kurden-Partei PDKI, Abderrahman Ghassemlou, sowie zwei weiterer Kurden in Wien erteilt zu haben. Von den sechs Kandidaten, die zu den iranischen Präsidentschaftswahlen zugelassen wurden, stehen nach Angaben von Pilz drei unter dringendem Verdacht, an der Ermordung von kurdischen Politikern im Ausland beteiligt gewesen zu sein. Neben Rafsandjani nannte er Mohzen Rezai, der als Kommandant der "Pasdaran" für die Übermittlung der Mordbefehle und die Erfolgskontrolle verantwortlich gewesen sei; der Bürgermeister von Teheran, Mahmood Ahmadi Nejad, soll wiederum laut Pilz im Juli 1989 als "Reserve" beim Wiener Kurden-Mord gedient haben, falls der Mordanschlag scheitern sollte.

Der iranische Wächterrat hatte schon bei der Parlamentswahl im vergangenen Jahr mehr als 2000 großenteils reformorientierte Kandidaten ausgeschlossen. Die wichtigsten Reformparteien und Studentenbewegungen hatten daraufhin zum Boykott aufgerufen. Mit etwa 50 Prozent lag die Wahlbeteiligung damals so niedrig wie niemals zuvor im Iran. Ein erster gemeinsamer Boykottaufruf für die Präsidentenwahl war bereits vor kurzem von rund 600 Menschen unterzeichnet worden.

Der Wächerrat lässt sich bei seiner Entscheidung davon leiten, ob die jeweiligen Kandidaten seiner Meinung nach treu zu den Prinzipien des Islams und der Islamischen Republik stehen. Frauen halten die Mitglieder des Wächterrats für grundsätzlich nicht geeignet, das Land zu führen. Das zwölfköpfiges Gremium besteht zum großen Teil aus konservativen schiitischen Geistlichen. Der Rat ist im Gegensatz zum Parlament nicht vom Volk gewählt. Das Gremien prüft die vom Parlament erlassenen Gesetze auf ihre Vereinbarkeit mit dem Islam und kann sie mit einem Vetorecht blockieren. (APA/AP)