Was bringt einen Mann dazu, sich kritisch mit Männlichkeitskonzepten zu befassen? "Üblicherweise", erklärt Amerikanist und Filmwissenschafter Klaus Rieser, "sind es zwei goldene Wege, die ihn zu dieser Fragestellung führen: zum einen die Auseinandersetzung mit der eigenen Sexualität, zum anderen Frauen, die einen feministisch abklopfen." Sein Interesse daran sei vor allem aus dem Kontakt mit feministischen Frauen erwachsen, "die mir die eigenen blinden Flecken eröffnet haben".

Als Anglistik- und Italienischstudent in Innsbruck hatte der heute 44-Jährige reichlich Gelegenheit für diese Selbsterfahrung: "Das Gros der Lehrenden waren feministisch ambitionierte Frauen." Ein Einfluss, der sich im Privaten und im Rahmen seines universitätspolitischen Engagements fortsetzte und der auch auf seine wissenschaftliche Arbeit abfärbte. Seine Doktorarbeit wurde als "Beste amerikanistische Dissertation" ausgezeichnet, und für seine Habilitation bekam er vom FWF ein Schrödinger-Stipendium, mit dem er zwei Jahre lang die Filmarchive der University of California, Los Angeles durchforsten konnte.

"Prägend war dabei auch, dass in der Filmwissenschaft die feministischen Theorien ungeheuer spannend, elaboriert und zugleich gesellschaftspolitisch relevant sind." Natürlich hat die jahrelange Auseinandersetzung mit Männlichkeitskonzepten auch sein Selbstverständnis als Mann und Lehrender - Rieser ist seit 1996 Assistenzprofessor für Kulturwissenschaften, Schwerpunkt Medienwissenschaft an der Grazer Amerikanistik - geprägt: "Ich strebe in meiner Selbstdefinition als Mann eine gewisse Breite und Flexibilität an, die nicht unbedingt ins klassische Männerbild passen." In Hinblick auf seinen Vortragsstil heißt das unter anderem möglichst konsequentes, geschlechtsneutrales Formulieren und das stete Bemühen, den typisch männlichen Objektivierungsdiskurs zu vermeiden. Ein Glücksfall für alle feministischen Studentinnen also. "Für Menschen mit einem engeren Männerbild bin ich wahrscheinlich ein komischer Mann! Dabei entspricht meine Position eigentlich genau der klassischen hegemonialen Männlichkeit: sicherer Uni-Job, zum Glück pragmatisiert, weiß, hetero, verheiratet."

Das Privatleben des gebürtigen Innsbruckers ist ein Beispiel für die Schwerkraft der von ihm kritisierten Verhältnisse: So waren ökonomische Gründe mit ausschlaggebend dafür, dass derzeit nicht er, sondern seine Frau für die Betreuung der beiden Töchter karenziert ist. Was bleibt, sei ein gewisses Unbehagen - "das sind ja alles keine Zufälle" - und das an der Realität gestärkte Bewusstsein, dass es in seiner theoretischen Arbeit letztlich um "Herrschaft und Macht", damit um "politische Kritik" gehe. Die Haltung des wissenschaftlichen Establishment zu seinem Forschungsschwerpunkt sieht Rieser illusionslos: "Dieses Thema wird vor allem von männlichen Kollegen als nicht sehr zentral gesehen." Eine Reaktion, die intellektuelle und emotionale Unabhängigkeit erfordert, die aber auch ihre gute Seite hat: "Im Gegensatz zu Kolleginnen, die im Bereich Feminismus arbeiten, werde ich nicht auf das Männlichkeitsthema festgelegt. Von den Frauen erwartet man, dass sie feministisch arbeiten, einem Mann dagegen gesteht man auch einen Themenwechsel zu." (grido/ALBUM/ DER STANDARD, Printausgabe, 07./08.05.2005)