Der protestantische Denker war geprägt vom Zweiten Weltkrieg, den er in deutscher Kriegsgefangenschaft in Pommern verbrachte. Sein Leben lang befasste er sich mit Fragen der Freiheit und Toleranz. Dabei nahm er gegen Totalitarismus und Kriege von Algerien bis Bosnien Stellung. Ricoeur sei "ein sehr großer Philosoph der Tat, aber auch ein großer Philosoph der Literatur" gewesen, sagte Abel.
Der 1913 in Valence geborene Ricoeur stand vor dem Krieg den christlichen Sozialisten nahe. In Kriegsgefangenschaft übersetzte er Werke deutscher Philosophen. Er war geprägt von Edmund Husserl, Karl Jaspers und auch Martin Heidegger, zu dem er aber - anders als viele andere französische Intellektuelle - Distanz hielt. Nach dem Krieg lehrte Ricoeur an Universitäten von der Pariser Sorbonne über Löwen (Belgien) bis Yale (USA).
An der Reform-Uni Nanterre bei Paris wurde Ricoeur während der Studentenrevolten heftig auch körperlich von linken Studenten attackiert, bis er 1970 als Doyen zurücktrat und in die USA ging. Dort wirkte er 22 Jahre an der Universität Chicago und verband die amerikanische Denkart mit der deutschen und französischen. Das habe ihm "das Leben gerettet", sagte Ricoeur. Zuletzt beschäftigte er sich mit den Beziehungen zwischen der Geschichtsauffassung der Historiker und der Zeitzeugen.