Sich bekreuzigend beklagen diese einen ethischen Dammbruch, technologiegläubig bejubeln jene einen wissenschaftlichen Durchbruch: Die Reaktionen auf die jüngste Forschungsmeldung, wonach in Südkorea nun erstmals aus geklonten menschlichen Embryonen genetisch passende Stammzellen für unheilbar kranke Menschen geschaffen wurden, waren so emotional wie oberflächlich.

Das Hauptargument der zumeist an christlichen Werten orientierten Kritiker, bei der Gewinnung dieser Stammzellen würde schützenswertes menschliches Leben vernichtet, darf jedenfalls angezweifelt werden. Die asiatischen Forscher haben nämlich altes Erbgut, also DNA aus bereits ausdifferenzierten Hautzellen, für ihre geklonten Embryonen verwendet. Und nach allen bisherigen Studienergebnissen kann davon ausgegangenen werden, dass solche Embryonen, selbst wenn sie in die Gebärmutter einer Frau implantiert würden, wohl niemals zu einer Schwangerschaft und in Folge dann zur Geburt eines Kindes führen würden. Der natürliche Selektionsprozess bei der menschlichen Fortpflanzung ist einer der unbarmherzigsten, selbst von den auf natürlichem Weg von Spermien befruchteten Eizellen, die sich von selbst zu Embryonen teilen, werden bis zu zwei Drittel vom Organismus der Frau wieder abgestoßen, weil sie den genetischen Ansprüchen nicht genügen. Nicht alles Menschliche, das sich teilt, hat auch das Potenzial zur Menschwerdung.

Aber auch die geäußerten Hoffnungen der nicht an eine göttliche Sofortbeseelung von sich teilenden Eizellen glaubenden Befürworter, nun könnten Lahme gehen, Parkinsonpatienten zur Ruhe kommen und Diabetiker auf die Spritze verzichten, ist etwas verfrüht. Noch haben die in Asien gewonnenen Stammzellen dieselben genetischen Defekte, an denen die Patienten leiden. Für eine Therapie müssten diese zunächst repariert werden, was nicht so einfach ist. Hat man das einmal einmal geschafft, muss man die verheißungsvollen Dinger erst einmal dazu bringen, sich in jene Zellen zu verwandeln, die sie schließlich reparieren respektive ersetzen sollen. Und dann kann immer noch nicht ausgeschlossen werden, dass die Zellen entarten und zu Krebszellen werden.

Eines aber haben diese Forschungen gezeigt: Der Weg zum therapeutischen Klonen, wie das Verfahren heißt, wird schneller durchschritten werden, als bisher angenommen. Wenigstens zehn Jahre, hatte das Gros der Wissenschafter angenommen, würde es nach dem weltweit ersten erfolgreich geklonten menschlichen Embryo dauern, bis derartige Resultate mit daraus gewonnenen Stammzellen erzielt werden könnten. Nun hat es aber nur ein Jahr gedauert. Und es ist ob dieses Beispiels damit zu rechnen, dass das therapeutische Klonen in den kommenden Jahren erstmals angewendet wird. Was, wann dann in Asien Lahme tatsächlich gehen? Was, wenn unheilbar Kranke bald geheilt werden können? Sind dann für Österreich, Deutschland und viele andere Staaten in der EU die ethischen Schmerzen immer noch unerträglich?

Werden Regierungen dieser Länder ihren siechen Wählern dann klar machen, dass sie sich mit ihren Mobilitätshilfen gefälligst ins heidnische Ausland verrollen sollen, da ihnen im Inland aus christlich-moralischen Gründen solche Therapien verweigert werden? Viel wahrscheinlicher ist, dass die politisch Verantwortlichen, wenn der therapeutische Erfolg endlich bewiesen ist, doch auf diese Forschung aufspringen werden.

Dann jedoch sind auch alle wirtschaftlichen Chancen, die sich aus diesen Forschungen ergeben könnten, vertan. Dann müssen sowohl Wissenschafter als auch Patente teuer eingekauft werden.

Im Gegensatz zu vielen europäischen Ländern überlegen sich nun die USA, das von Präsident George W. Bush 2001 durchgeboxte Verbot der Finanzierung von embryonaler Stammzellforschung aufzuheben. Nicht zuletzt aufgrund der jüngten Entwicklungen auf diesem Gebiet. Ein Weg, den auch die EU gehen sollte. Und zwar geschlossen. (Andreas Feiertag/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21./22.05.2005)