Auch als Buch: Die besten Stadtgeschichten aus dem Stadtgeschichten - Archiv - zum Wiederlesen & Weiterschenken. "Wiener Stadtgeschichten" mit Illustrationen von Andrea Satrapa-Binder, Echomedia Verlag Ges.m.b.H., ISBN 3-901761-29-2, 14,90 Euro.

Von Montag bis Freitag täglich eine Stadtgeschichte von Thomas Rottenberg

Es war im Laufe der letzten Woche. Da hat W., mein Tischler, sein Fahrrad gekauft. Und zwar zum zweiten Mal. Seither überlegt er, bei wem er sich –theoretisch – wohl jene 110 Euro zurückholen könnte, die er dem netten Studenten gezahlt hat. Für sein eigenes Fahrrad. Aber weil W. so froh ist, das Rad zurück zu haben, wird er, meint er, die Sache wohl auf sich beruhen lassen.

W.s Rad wurde nämlich gestohlen. Das, sagt W., sei zwar ärgerlich, aber noch nicht weiter aufregend. Sicher: Das Ding sei auffällig gewesen und durch mehrjährigen Gebrauch auf W.s ganz persönliche Bedürfnisse zugeschnitten gewesen. Oder herangewachsen. Wie auch immer. Aber, sagt W., er sei Realist: ein gestohlenes, mehrere Jahre altes Rad sei futsch – und deswegen zur Polizei zu gehen, meinte er, stehle nur unnötig Zeit. Ihm genauso wie dem Polizisten.

Händleranruf

Mittlerweile bereut W. das aber doch ein bisschen – und überlegt, ob er nicht nachträglich Anzeige erstatten soll. Denn rund zehn Tage nach dem Diebstahl bekam er einen Anruf: Der Fahrradhändler, bei dem er dereinst den Drahtesel erstanden hatte rief an. Da stehe, sagte der Verkäufer, gerade ein junger Mann vor ihm, der sich – am Rad war noch eines der Radgeschäftslogos sichtbar gewesen – erkundige, ob dieses Fahrrad wirklich koscher sei.

Denn irgendwie, sagte der Radverkäufer habe der junge Mann gesagt, sei es ihm komisch vorgekommen, dass das ein paar Tage zuvor in einer Favoritner Moneypoint-Filiale – mit Rechnung – gekaufte Rad so eindeutig auf einen Besitzer zurechtgeschustert war, der das Rad ständig verwendet haben musste. Zum Kindertransport etwa – wegen der Kupplung am Rad. Aber beim Pfandleiher habe es keinen Kinderanhänger gegeben.

Rahmennummer

Bie Fahrradhändler, erzählt W., habe man die Rahmennummer in den Computer getippt – und ihn als eigentlich Besitzer des Rades eruiert. Der junge Mann sei dann auch mit seinem – wessen auch immer – Rad bei W. in der Werkstatt vorbei gekommen. Und man habe geplaudert. Wie es weiter gehen solle.

Zunächst, sagt W., habe er ja sogar gemutmaßt, dass der Student (Angewandte, die Klasse hatte W. sich nicht gemerkt) vielleicht gar selbst das Rad geklaut haben könnte. Und nun – sozusagen als „Radnapper“, das Bike rückverkaufen wolle. Aber die Rechnung, sagt W., habe ihn überzeugt. Der Student habe ihm auch erzählte, dass man ihm beim Kauf gesagt habe, das Rad könne gar nicht Hehlerware sein. Schließlich verlange man von jedem Verkäufer einen Ausweis. Das schrecke lichtscheues Volk erfolgreich ab.

Geld zurück?

W. ärgerte sich. Aber nur ein bisserl: Mit einer Diebstahlsanzeige in der Hand hätten er und der Student wohl bei dem Zwischenhändler das Geld zurückholen können. Oder es zumindest versuchen. Aber so? In jedem Fall, befand W., wäre es am unfairsten, wenn der ehrliche Student zum Handkuss käme. Und so kaufte W. ihm das eigene Rad ab. Zu dem Preis, den der Student bezahlt hatte. Außerdem legte er noch eine Flasche Wein drauf.

Ein bisserl, sagt W., wurme es ihn nun natürlich, für sein altes Rad noch einmal 110 Euro bezahlt zu haben. Andererseits: Das Rad sei – bevor es geklaut worden war – dreckig und abgenudelt gewesen. Aber irgendjemand habe es auf Vordermann gebracht: geputzt, geölt, Bremsen und Schaltung eingestellt. Und sogar jener Reifen war geflickt, der bisher immer nach eineinhalb Tagen die Luft verloren hatte. Sicher, er hätte dieses kleine Service selbst machen können, meint W. Aber er hätte er es wohl nie getan. Und beim Fahrradhändler wäre er dafür ja sicher auch einen Batzen Geld los geworden.