W.s Rad wurde nämlich gestohlen. Das, sagt W., sei zwar ärgerlich, aber noch nicht weiter aufregend. Sicher: Das Ding sei auffällig gewesen und durch mehrjährigen Gebrauch auf W.s ganz persönliche Bedürfnisse zugeschnitten gewesen. Oder herangewachsen. Wie auch immer. Aber, sagt W., er sei Realist: ein gestohlenes, mehrere Jahre altes Rad sei futsch – und deswegen zur Polizei zu gehen, meinte er, stehle nur unnötig Zeit. Ihm genauso wie dem Polizisten.
Händleranruf
Mittlerweile bereut W. das aber doch ein bisschen – und überlegt, ob er nicht nachträglich Anzeige erstatten soll. Denn rund zehn Tage nach dem Diebstahl bekam er einen Anruf: Der Fahrradhändler, bei dem er dereinst den Drahtesel erstanden hatte rief an. Da stehe, sagte der Verkäufer, gerade ein junger Mann vor ihm, der sich – am Rad war noch eines der Radgeschäftslogos sichtbar gewesen – erkundige, ob dieses Fahrrad wirklich koscher sei.
Denn irgendwie, sagte der Radverkäufer habe der junge Mann gesagt, sei es ihm komisch vorgekommen, dass das ein paar Tage zuvor in einer Favoritner Moneypoint-Filiale – mit Rechnung – gekaufte Rad so eindeutig auf einen Besitzer zurechtgeschustert war, der das Rad ständig verwendet haben musste. Zum Kindertransport etwa – wegen der Kupplung am Rad. Aber beim Pfandleiher habe es keinen Kinderanhänger gegeben.
Rahmennummer
Bie Fahrradhändler, erzählt W., habe man die Rahmennummer in den Computer getippt – und ihn als eigentlich Besitzer des Rades eruiert. Der junge Mann sei dann auch mit seinem – wessen auch immer – Rad bei W. in der Werkstatt vorbei gekommen. Und man habe geplaudert. Wie es weiter gehen solle.
Zunächst, sagt W., habe er ja sogar gemutmaßt, dass der Student (Angewandte, die Klasse hatte W. sich nicht gemerkt) vielleicht gar selbst das Rad geklaut haben könnte. Und nun – sozusagen als „Radnapper“, das Bike rückverkaufen wolle. Aber die Rechnung, sagt W., habe ihn überzeugt. Der Student habe ihm auch erzählte, dass man ihm beim Kauf gesagt habe, das Rad könne gar nicht Hehlerware sein. Schließlich verlange man von jedem Verkäufer einen Ausweis. Das schrecke lichtscheues Volk erfolgreich ab.
Geld zurück?
W. ärgerte sich. Aber nur ein bisserl: Mit einer Diebstahlsanzeige in der Hand hätten er und der Student wohl bei dem Zwischenhändler das Geld zurückholen können. Oder es zumindest versuchen. Aber so? In jedem Fall, befand W., wäre es am unfairsten, wenn der ehrliche Student zum Handkuss käme. Und so kaufte W. ihm das eigene Rad ab. Zu dem Preis, den der Student bezahlt hatte. Außerdem legte er noch eine Flasche Wein drauf.