Obst und Gemüse aus dem Burgenland

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Kommt einer von einer Reise zurück, wird er stets gefragt: "Wie schaut's dort aus?" Nie: "Wie hat's dort gerochen?" oder: "Wie hat's dort geschmeckt?" Das Reisen ist ja immer ein monströses Schau-Spiel gewesen: die Sonne über Capri, das Alpenglühen überm Glockner, der Himmel über Rimini.

Allmählich aber ist die Sensorik des Tourismus ins Rutschen gekommen. Das Schauen allein wird beinahe als Mangel empfunden, jetzt fahren die Menschen Ende Oktober, Anfang November ins Istrische, weil da die Trüffelzeit ist und deshalb jedes Nudelgericht ein Nudelgedicht.

Auch hier zu Lande tut sich diesbezüglich einiges. Nicht in den Zentren, dort natürlich nicht, dort werden weiterhin die sündteuren Grillwürschtl mit Pommes und die Riesenschnitzel mit Pommes als besonders zünftig angepriesen. An den Rändern aber, dort, wo der jeweilige Tourismus sich mehr um seine Stellung bemühen muss als im Zillertal oder Kitzbühel, dort scheint die Suche nach dem Authentischen der jeweils zu bereisenden Gegend schon ziemlich weit gediehen zu sein. Und nichts anderes ist die Erweiterung des Reisens um die kulinarische Dimension.

Nicht ums Essen und Trinken allein geht es dabei. Die Region präsentiert nicht nur ihre besten Wirten, Winzer und Brauer, sondern auch die Produzenten der Nahrungsmittel, die Hörndl- und Körndlbauern, die Käser und Imker, die Marmeladenkocher und Ziegenhalter.

Schon im Herbst hat Fritz Tösch, der Maître des Neusiedler Landgasthauses "Zum Nyikospark" zur ersten "Burgenland-Safari" geladen. Bei der geht es darum, den Wirtshausgästen die pannonischen Lieferanten vorzustellen, damit die nicht bloß die Güte ihrer Produkte preisen, sondern auch - oder vor allem - Einblick, nein: Einkost geben in den Geschmack Pannoniens, den Sascha Huber, Töschs Küchenchef, so variantenreich auf die Teller bringt.

"Lass dir die Gegend auf der Zunge zergehen!"

Im hohen Norden, an der böhmisch-waldviertlerischen Grenze, wird dieses Konzept - "Lass dir die Gegend auf der Zunge zergehen!" - demnächst ins Leben geholt. Franz Kadrnoska, ein notorischer Bastler an einem eigenwilligen Waldviertler Tourismus, wird ab Juni spezielle kulinarische Ausflüge anbieten. Der erste wird am 5. Juni ins Haslauer Moor führen, ein Natura-2000-Gebiet in der Nähe von Gmünd.

"Die Idee ist es, die Natur mit allen verschiedenen Sinnen zu erleben, zu schmecken, zu riechen. Dazu gehört alles: die wilden Kräuter, die Blüten, die jungen Wipferln, aber auch die Erde und der Moder." Dann erst, nach dieser von einem ausgebildeten Führer geleiteten Wanderung wird zu Tisch gebeten.

Beim erwähnten "Moorkulinarium" steht der auf einer extra errichteten Holzplattform mitten im Moor, "umgeben von Libellen und Sonnentau", vermerkt das Flugblatt, das exotische Sachen wie "Reiberknödel" oder "Liwanzen" verspricht, Honigbrand und Honigbier, welches man, so Kadrnoska, "nicht mit Met verwechseln darf". Geplant sind ähnliche Wanderungen rund ums Thema Pilze oder Heidelbeere.

Der touristischen Kulinarik hat sich jetzt auch der Burgenland Tourismus gewidmet. Klaus Sommer, der Presseverantwortliche des Landesverbandes, hat unlängst erst eine Journalistengruppe drei Tage lang durchs Pannonische geführt, um eben aufs Köstliche im Burgenland hinzuweisen. "Dabei ging es uns nicht", sagt Sommer, "um die großen Namen, die ohnehin jeder kennt. Wir wollten die Geheimtipps präsentieren, zeigen, dass es hier noch etwas zu entdecken gibt."

Zum Beispiel Mangalizaschweine, Graurinder, Weidegänse, Wels aus dem See, Maroni aus der Rosalia, Obstbrände aus Kukmirn und - das bitte ja nicht zu vergessen - die altehrwürdig-aufwändige Hochzeitsbäckerei, der Aloisia Bischof mit "Aloisia's Mehlspeiskuchl" im südburgenländischen Badersdorf ein mittlerweile viel besuchtes Geschäft gewidmet hat.

Prädestiniertes Burgenland

Das Burgenland, meint Sommer, sei ja tatsächlich prädestiniert für diese Art des kulinarischen Tourismus. Der Wein hat eine solide Grundlage dafür geschaffen. Im Sog der erfolgreichen Winzer haben sich aber immer mehr produzierende Spezialisten etabliert. Der deutsch-französische Fernsehsender "Arte" hat unter dem Titel "Der Kaiser der Paradeiser" vor Kurzem erst ein einstündiges Porträt des Frauenkirchner Gemüsebauern Erich Stekovics gezeigt, der sich mit viel Hingabe der Hege von Paprika und Paradeiser widmet. Der Podersdorfer Josef Waba züchtet parallel dazu das Mangalizaschwein, eine alte pannonische Haustierrasse. Weiter im Süden weiden, mitten im Nationalpark, die Graurinder, auch sie mittlerweile hoch im kulinarischen Kurs.

Auch der Neusiedler See selbst wird wieder kulinarisch hergerichtet. Im Vorjahr wurde beschlossen, den fremden Aal aussterben zu lassen. Statt dessen sollen hier wieder verstärkt die Zander und Hechte auf Karpfenjagd gehen. Das folgt dem Naturschutzgedanken des Nationalparks ebenso wie jenem der Gourmets. Einzig die Weidener Steckerlfisch-Hütte wird sich wohl noch halten, und mit ihr die unvermeidlichen Makrelen, die so pannonisch sind wie ein schneebedeckter Achttausender.

Wie sehr die kulinarische Schiene sich in herzeigbaren Tourismusziffern niederschlagen könnte, mag Klaus Sommer nicht sagen. Ihm und dem Burgenland-Tourismus gehe es auch nicht in erster Linie darum. So wie der Wein, so verleihen auch die umfassenden kulinarischen Aktivitäten der Region sozusagen einen werblichen Griff: Sie wird unverwechselbar. "Und das nützt natürlich unserer Werbung, dem gesamten Image des Landes."
(Der Standard/rondo/20/05/2005)