Leute, die dieser Tage ihre E-Mail-Box öffnen und eine Nachricht mit dem Betreff „Auslaender bevorzugt“ oder „Deutsche Buerger trauen sich nicht“ erhalten, haben nicht automatisch auch einen infizierten PC.

Windows-Wurm

„Diese Spams sind Folgen einer früheren Variante des Sober- Wurms“, erklärt Joe Pichlmayr, Chef des Wiener Sicherheitsunternehmens Ikarus – weshalb die Fachwelt diese Mails Sober.P genannt hat. Die Nazi-Mails kommen nämlich sicher aus dem Stall der Sober-Autoren. Frühere Varianten dieses Wurms, die den Zusatz Q bzw. O erhielten, hatten die Fähigkeit, auf den befallenen Windows-Rechner ein kleines Programm zu laden (Plug-In bzw. Trojaner). Dieses schnappt sich nun die Mailadressen des infizierten Rechners und verschickt an diese die Nazi-Mails, also Sober.P. Und dies noch dazu unter der E-Mail- Adresse des befallenen PCs, der damit eine Wirt-Funktion ausübt.

Massenversand

„Das ist für die Sober-Leute sehr praktisch“, erklärt Pichlmayr. „Sie bleiben anonym und können hunderttausende Mails verschicken.“ Wie hoch die Zahl an solchen Spams bisher ist, bzw. wie viele Rechner von Sober.Q bzw. O befallen sind, kann Pichlmayr nicht abschätzen. Weil sich die Inhalte imer auf deutsche Politik, oftmals auf das deutsche Tagesgeschehen, beziehen, wird der oder werden die Täter in Deutschland vermutet.

Strafe

Aus juristischer Sicht macht sich der PC-Besitzer durch das unwissentliche Versenden von nationalem Gedankengut nicht strafbar. „Im NS-Verbotsgesetz gilt der Tatbestand des Vorsatzes“, erklärt Michael Pilz von der Rechtsanwaltskanzlei Freimüller, Noll, Obereder und Pilz.

„Wurschtigkeit bei den Computernutzern"

Allerdings, beklagt Pichlmayr, ist „Wurschtigkeit bei den Computernutzern“ im Spiel und mache solche breite NS-Propaganda erst möglich. Durch das Fehlen von Schutzprogrammen gegen Spam und PC- Schädlinge, vor allem im Privatbereich, machen sich diese Computernutzer jetzt zu einem Werkzeug beim Verbreiten von nationalsozialistischem Gedankengut. Die Nazi-Spams werden nämlich in erster Linie von privaten Mailboxen aus verschickt. Der Geschäftsbereich mit seinen Sicherheitsfiltern war wesentlich schwächer von den Sober-Vorgängern befallen.

Völlig egal

„Vielen privaten Webnutzern ist so was völlig egal“, sagt Pichlmayr, „umso mehr, als solche Sober-Mails die eigene Rechnerleistung nicht beeinträchtigen.“ Das Erkennen und die Entfernung von Sober.P ist nämlich mit jedem gängigen aktuellen Viren-Schutzprogrammen möglich.(Johanna Ruzicka, DER STANDARD Printausgabe, 19. Mai 2005)